„Warum???“ So lautete die Frage auf einem Blatt Papier, das Trauernde nach der Schreckenstat im Januar neben Kerzen und Blumen vor dem Tatort in Mistelbach im Landkreis Bayreuth abgelegt hatten. Warum der in einer Neudrossenfeld Praxis tätige Kinderarzt und seine Ehefrau, die ebenfalls Ärztin war, im Keller ihres Einfamilienhauses sterben mussten? Eine Frage, die die Große Jugendkammer am Landgericht Bayreuth in einem Mammutprozess zu klären versucht, der am morgigen Mittwoch beginnt.
Die Tochter sitzt auf der Anklagebank
Was den Fall für alle so unfassbar macht: Nicht nur ein zur Tatzeit 18-Jähriger wird auf der Anklagebank im großen Sitzungssaal Platz nehmen, auch seine damals 16-jährige Freundin. Sie ist die Tochter des getöteten Ärztepaares. Beide müssen sich wegen Doppelmordes verantworten.
Nachbarn hörten Hilfeschreie
Das Verbrechen hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt, gerade auch im Landkreis Kulmbach viele Menschen geschockt, denn Stefan S. galt in der Region als ein äußerst beliebter Kinderarzt. In dem Haus in Mistelbach, in dem das Ehepaar mit den vier minderjährigen Kinder lebte, waren der 51-jährige Kinderarzt und seine Frau in der Nacht zum 9. Januar im Schlafzimmer, das sich im Keller des Hauses befand, erstochen worden.
Nachbarn hatten gegen 1 Uhr Hilfeschreie gehört und die Polizei alarmiert. Als die Beamten kurze Zeit später eintrafen, fanden sie das Ehepaar tot vor. Der Freund der Tochter hatte nach Ermittlungen der Polizei die Nacht in dem Haus verbracht. Er war nach der ihm vorgeworfenen Tat geflüchtet, hatte sich wenige Stunden später aber gestellt und widerstandslos festnehmen lassen.
Gemeinsamer Tatplan?
Die Bayreuther Staatsanwaltschaft legt den Angeklagten nun Mord in zwei tateinheitlichen Fällen zur Last. Den Plan hätten sie gemeinsam gefasst, heißt es. Die tödlichen Messerstiche soll der 18-Jährige verübt haben, die Tochter soll die ungehinderte Tatausführung ermöglicht und so einen aktiven Beitrag zum Tötungsdelikt geleistet haben.
Mordmerkmal Heimtücke
Wie Leitender Oberstaatsanwalt Martin Dippold schon im Januar mitgeteilt hatte, hat die Anklagebehörde das Mordmerkmal der Heimtücke festgestellt, da die Opfer zum Zeitpunkt des Verbrechens arg- und wehrlos gewesen seien. Es heißt, dass das Ehepaar im Schlaf angegriffen worden sei.
Urteil im Dezember
Die beiden Angeklagten, die sich seit ihrer Festnahme in Untersuchungshaft befinden, müssen sich vor der Großen Jugendkammer verantworten. 16 Hauptverhandlungstage sind angesetzt, das Urteil soll am 16. Dezember fallen.
Diese Strafen drohen
Welche Strafe den Angeklagten droht? Da der Freund der Tochter Heranwachsender ist, wird die Kammer im Falle einer Verurteilung prüfen, ob Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht angewandt wird. Als Jugendlicher sind bis zu 15 Jahre Haft möglich, wenn das Gericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Seine Freundin ist Jugendliche. Hier beträgt die Höchststrafe zehn Jahre.
Bleibt der Prozess öffentlich?
Es ist ein Gerichtsverfahren, das auf ein riesengroßes Medieninteresse stoßen wird. So werden zum Prozessauftakt etliche Fernsehteams erwartet. Ob die Journalisten wie auch die Zuschauer lange im Sitzungssaal bleiben dürfen, ist aber fraglich. Juristen halten es für wahrscheinlich, dass die Jugendkammer schnell hinter verschlossenen Türen verhandeln wird. Sie rechnen damit, dass die Verteidiger angesichts des Alters der Angeklagten den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen werden.
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