Richter erkrankt
Mistelbacher Mordprozess: Urteil erst Anfang 2023
Vor dem Landgericht Bayreuth müssen sich zwei Jugendliche wegen zweifachen Mordes verantworten.
Vor dem Landgericht Bayreuth müssen sich zwei Jugendliche (links und rechts außen) wegen zweifachen Mordes verantworten.
Matthias Hoch
Gewaltverbrechen Mistelbach
Kerzen, Blumen und ein Kreuz sind vor der Arztpraxis in Neudrossenfeld abgelegt worden.
Matthias Hoch
Alexander Hartmann von Alexander Hartmann, Christoph Hägele, Moritz Kircher Bayerische Rundschau
Mistelbach – Die Tötung eines Ehepaares im Januar in Mistelbach erschütterte die Region. Ein Urteil gegen die beiden Angeklagten sollte im Dezember fallen. Doch der Prozess zieht sich.

+++ Hier finden Sie am 23. Januar 2023 ab 11 Uhr alles zur Urteilsverkündung zum Doppelmord in Mistelbach. +++


Update 13. Dezember:

Urteil frühestens Anfang kommenden Jahres erwartet

Der Prozess um den mutmaßlichen Doppelmord von Mistelbach zieht sich ins kommende Jahr. Ein Urteil werde nicht vor dem 19.  Januar erwartet, teilte ein Sprecher des Landgerichts Bayreuth am Dienstag (13. Dezember) mit. Ursprünglich sollte der Prozess Mitte Dezember zum Abschluss kommen, wegen der Erkrankung eines Richters verzögert sich nun der Zeitplan.

Verhandelt wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit, erst zum Urteil sind Zuhörer und Journalisten wieder zugelassen.  Vor Gericht aufgearbeitet wird der gewaltsame Tod eines Ärzte-Ehepaares aus Mistelbach (Landkreis Bayreuth). Angeklagt wegen Mordes sind die 17 Jahre alte Tochter und deren 19 Jahre alter Freund. Sie sollen Anfang Januar 2022 den Plan zum Mord gefasst haben. Zugestochen haben soll der heute 19-Jährige. Als Motiv nannte die Staatsanwaltschaft Hass und Streit in der Familie.


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Update, 28. Oktober, 16 Uhr:

Gericht vernimmt Zeugen aus Polizei und Gerichtsmedizin

In dem Strafverfahren wegen Mordes an einem Arztehepaar in Mistelbach hat die Große Jugendkammer in bisher vier weiteren nichtöffentlichen Verhandlungstagen eine Vielzahl von Zeugen vernommen. Das teilt stellvertretender Pressesprecher Bernhard Böxler mit.  Eine Beamtin der Kriminalpolizei berichtete über die umfangreichen Spurensicherungsmaßnahmen. Mehrere Sachverständige aus dem Bereich der Rechtsmedizin wurden gehört. Der kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter berichtete zum Gang des Ermittlungsverfahrens. Weitere Einzelheiten teilt das Gericht  im Hinblick auf die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung nicht mit.

 

Update, 19. Oktober, 13.20 Uhr: 

Gericht schließt Öffentlichkeit vom Prozess aus 

Das Bayreuther Landgericht hat dem Antrag der beiden Verteidiger stattgegeben: Die interessierte Öffentlichkeit wird vom weiteren Fortgang des Strafprozesses ausgeschlossen. Erst zur Verkündigung des Urteils ist die Öffentlichkeit wieder zugelassen. Das Urteil ist für Dezember anberaumt. 

In seiner Begründung berief sich das Gericht auf die "erzieherischen Interessen" der beiden Angeklagten. Diesen räumte das Gericht größeres Gewicht ein als dem "legitimen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit".  Die fortgesetzte Beteiligung der Öffentlichkeit würde laut dem Gericht mit Nachteilen für die Persönlichkeitsentwicklung der beiden Angeklagten einhergehen. Auch eine öffentliche Stigmatisierung der beiden Jugendlichen sei nicht auszuschließen. 

Lesen Sie die Hintergründe zum ersten Prozesstag:

Ferner gefährde eine Beteiligung der Öffentlichkeit die "barrierefreie Kommunikation" zwischen  den Angeklagten und dem Gericht. Eine "barrierefreie Kommunikation" aber sei eine unhintergehbare Voraussetzung, um die Hintergründe der Tat zu erhellen. Die Entscheidung des Gerichts entfaltet umgehend ihre Rechtskraft: Zuschauer und Medienvertreter müssen den Gerichtssaal verlassen


Update, 19. Oktober, 12.10 Uhr: 

Geht es ohne Öffentlichkeit weiter?

Derzeit berät das Bayreuther Landgericht, ob der gesamte Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit weitergehen wird. Die Verteidiger der beiden Angeklagten hatten dies unmittelbar nach Verlesung der Anklageschrift beantragt. Wie begründeten die Anwälte ihren Antrag? Beide jugendlichen Angeklagten werden von ihren Verteidigern als psychisch ausgesprochen labil dargestellt. Ihr Zustand allein rechtfertige den Ausschluss der Öffentlichkeit.

Die angeklagte 17-Jährige gilt als selbstmordgefährdet. Ihr Haftraum wird deshalb mit einer Kamera überwacht. Noch hat das Gericht seine Entscheidung nicht kommuniziert. 


Update, 19. Oktober, 11.30 Uhr 

Das legt der Staatsanwalt den beiden Angeklagten zur Last

Die heute 17-jährige Tochter des ermordeten Ehepaares und ihr heute 18-jähriger Freund sollen aus Hass getötet haben. Das legt die Staatsanwaltschaft Bayreuth den beiden Angeklagten zur Last. Im Saal des Bayreuther Landgerichts hatten die beiden Angeklagten die Kapuzen ihrer Jacken zunächst tief in ihre Gesichter gezogen.

Das änderte sich erst, als die Staatsanwaltschaft ihnen die Anklage eröffnete. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten Mord in zwei tateinheitlichen Fällen vor.
Die Staatsanwaltschaft sieht die Mordmerkmale der Heimtücke und der niederen Beweggründe als erfüllt an.

Am Nachmittag des 8. Januar dieses Jahres soll es nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Bayreuth ein weiteres Mal zum Streit zwischen der 17-Jährigen und ihrem Vater gekommen sein. Daraufhin sollen das Mädchen und ihr Freund gemeinsam den Entschluss gefasst haben, die Eltern in der kommenden Nacht zu töten.
Der 18-Jährige wohnte seit November 2021 bei den Eltern seiner Freundin in Mistelbach.  Die Angeklagte, so formulierte es die Staatsanwaltschaft, "wollte ihre Eltern tot sehen".  Sie soll ihre Eltern abgrundtief gehasst haben. 

Mordtat sollte wie Einbruch aussehen

Die beiden Jugendlichen wollten die Tat in dem Mistelbacher Wohnhaus wie einen Einbruch aussehen zu lassen. In der Nacht auf den 9. Januar soll der angeklagte 18-Jährige mit Messern, einer Skimaske und einer Stirnlampe das gemeinsam mit seiner Freundin bewohnte Zimmer im Obergeschoss des elterlichen Hauses verlassen und die im Keller schlafenden Eltern aufgesucht haben.

Das Mädchen blieb im Obergeschoss mit der Absicht zurück, ihre drei Geschwistern von der Vereitlung der Mordpläne abzuhalten. Der Angeklagte griff nach Darstellung der Staatsanwaltschaft zunächst den Vater seiner Freundin. Er stach dem Schlafenden wahllos in Gesicht, Brust und Hals. Der 51-Jährige wachte auf und versuchte, sich gegen seinen Angreifer zu wehren. Er verblutete später neben dem Bett.

Anschließend attackierte der Angeklagte mit einem Messer die wach gewordene und panisch um Hilfe rufende Mutter. Auch der Mutter seiner Freundin stach der Angeklagte in Gesicht, Brust und Hals. Auch sie verblutete. Im Obergeschoss hielt die Angeklagte ihre von den Schreien der Eltern wach gewordenen Geschwister unterdessen davon ab, Hilfe zu rufen. Unter anderem unterband die Angeklagte einen bereits begonnenen  Anruf bei Rettungskräften.

Die zur Tatzeit 16-Jährige kassierte daraufhin die Mobiltelefone ihrer Geschwister ein. Sie wies ihre Geschwister des Weiteren an, erst am folgenden Tag Hilfe zu holen. Gemeinsam flüchteten die beiden Angeklagten anschließend per Fuß. Wenige Stunden später stellten sie sich in Bayreuth der Polizei.  


Update 19. Oktober, 11.00 Uhr

Welche Haftstrafen drohen den Angeklagten?

Im Prozess werden wohl auch die drei minderjährigen Geschwister der Angeklagten als Zeugen geladen. Spätestens dann wird die Verhandlung wahrscheinlich nicht öffentlich stattfinden. Wann genau die Zeugen geladen werden, ist noch nicht bekannt.

Die angeklagte Tochter der beiden Todesopfer war zum Tatzeitpunkt minderjährig. Ihr drohen damit im Falle einer Verurteilung maximal 10 Jahre Haft. Der angeklagte Freund der Tochter war zum Zeitpunkt der Tat 18 Jahre alt. Damit muss das Gericht prüfen, ob er im Falle einer Verurteilung nach Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht zu behandeln wäre. Bei Ersterem droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Nach Jugendstrafrecht maximal 15 Jahre.


Update 19. Oktober, 8.40 Uhr

Staatsanwaltschaft: Paar im Schlafzimmer des Hauses in Mistelbach erstochen

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der damals 18-Jährige das Paar im Schlafzimmer des Hauses erstochen hat. Die zum Tatzeitpunkt 16 Jahre alte Tochter soll ihm "die ungehinderte Tatausführung ermöglicht und dadurch einen aktiven Beitrag zum Tötungsdelikt geleistet" haben, wie Polizei und Staatsanwaltschaft im Februar mitgeteilt hatten.

Gemeinsam sollen sie den Tatplan gefasst haben. Nach der Tat flüchteten sie demnach in das nahe Bayreuth und stellten sich der Polizei. Der Jugendliche kam gleich in Untersuchungshaft. Die Rolle der Tochter blieb zunächst unklar, erst einige Wochen später wurde auch gegen sie Haftbefehl erlassen.

Die erste Frage, die heute nach der Anklageverlesung vor Gericht zu beantworten sein wird: Wird öffentlich verhandelt oder nicht? Bei Strafprozessen gegen Minderjährige können Presse und Zuschaue aus der Verhandlung ausgeschlossen werden. Der Verhandlung wird um 10 Uhr eröffnet. Es sind insgesamt 16 Verhandlungstage bis Mitte Dezember angesetzt.

(Mit Material von dpa)


Der ursprüngliche Artikel vom 17. Oktober

Der Verdacht fiel schnell auf die jugendliche Tochter der beiden Getöteten und deren Freund. Die erste Frage, die im Prozess zu beantworten sein wird: Wird öffentlich verhandelt, wie in Strafprozessen üblich? Oder werden Publikum und Presse aus der Verhandlung ausgeschlossen? Das wäre möglich, weil die angeklagte Tochter des getöteten Ehepaares zum Tatzeitpunkt erst 16 Jahre alt war.

Mistelbacher Ärzte-Ehepaar mit Stichwaffen getötet

Bluttat von Mistelbach ereignete sich in der Nacht auf den 9. Januar 2022. Die Opfer, eine Frau (47) und ihr Ehemann (51), wurden mutmaßlich mit Stichwaffen getötet. Nachbarn hatten Schreie aus dem Haus gehört und die Polizei alarmiert, die das Ärzte-Ehepaar schließlich tot im Keller des Anwesens fand. Unter Verdacht standen schnell der 18-jährige Freund der ältesten Tochter und später auch das damals 16-jährige Mädchen selbst. Das getötete Paar hat noch drei weitere minderjährige Kinder.

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Der tatverdächtige 18-Jährige war zunächst geflüchtet, stellte sich aber wenige Stunden nach der Tat und nach einer Großfahndung der Polizei. Offenbar hatte er sich selbst verletzt und sich dem Vernehmen nach mit seiner Lebensgefährtin noch nach Bayreuth ins Krankenhaus begeben, um sich behandeln zu lassen. Dann ging er zur Polizei und ließ er sich widerstandslos festnehmen. Seit der Tat befindet er sich in Untersuchungshaft. Auch die 16-jährige Tochter der Familie kam später in U-Haft.

Beliebter Kinderarzt in Neudrossenfeld

Der getötete Stefan S. war ein beliebter Kinderarzt mit einer Praxis in Neudrossenfeld und einer Zweigstelle in Bayreuth, die zum Zeitpunkt der Tat kurz vor der Eröffnung stand. "Wir sind fassungslos. Wir haben einen großartigen Chef und Kinderarzt verloren und einen wunderbaren Menschen. Aber noch viel schmerzhafter ist das Leid der vier Kinder, die unter diesen schrecklichen Umständen ihre Eltern verloren haben. Unsere Gedanken und Gebete sind mit ihnen", hieß es kurz nach der Tat in Mistelbach auf der Facebook-Seite der Praxis. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass auch die 16-jährige Tochter der Familie bald unter Tatverdacht stehen sollte.

Im Vorfeld der Verhandlung, die nun am 19. Oktober beginnt, hatte sich die Staatsanwaltschaft Bayreuth bedeckt gehalten. Zwar hatte der 18-jährige Angeklagte ein Geständnis abgelegt. Martin Dippold, leitender Oberstaatsanwalt, sagte dazu Ende Januar nur, ein Geständnis müsse ja nicht unbedingt richtig sein. "Es muss überprüft werden, was er gesagt hat."

16 Verhandlungstage am Landgericht Bayreuth angesetzt

In den Arztpraxen in Neudrossenfeld und Bayreuth musste es derweil irgendwie weitergehen. "Wir müssen aber die Versorgung der Kinder sicherstellen, und wir wissen, dass es auch im Sinne von Stefan gewesen wäre, dass wir zeitnah wieder Kinder behandeln", erklärte der 53-jährige Mediziner Gerald Hofner, der mit dem getöteten Arzt gemeinsam die Kinderarztpraxis betrieb, nur wenige Tage nach der Bluttat von Mistelbach.

Monatelang ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft die Hintergründe der Bluttat von Mistelbach. Mitte September wurde dann schließlich bekannt, dass der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Täter am 19. Oktober beginnen soll. In dem Prozess am Landgericht Bayreuth sind 16 Verhandlungstage angesetzt. Urteilsverkündung soll dann am 16. Dezember sein - rund elf Monate nach der Bluttat, die in Mistelbach immer noch für viele Menschen ein Schock sein dürfte.

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Wie das Landgericht Bayreuth auf Anfrage unserer Zeitung am 17. Oktober mitteilte, werden in dem Prozess fünf Nebenkläger auftreten. Um wen es sich dabei handelt, ist allerdings noch nicht bekannt. Die Nebenkläger haben dem Gericht gegenüber den Wunsch geäußert, vor Prozessbeginn nicht genannt zu werden.

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