Wort zum Sonntag für 7. Dezember:
Schon seit Wochen begegnet uns der Nikolaus in Schaufenstern und Supermärkten – meist als rotgewandete Figur mit Rauschebart, die eher an den Weihnachtsmann erinnert. Mitra und Bischofsstab fehlen. An diesem Wochenende feiern wir den Festtag des heiligen Bischof Nikolaus.
Vom echten Bischof Nikolaus wissen wir historisch gesehen nur wenig. Er lebte vermutlich im 4. Jahrhundert in Myra im Süden der heutigen Türkei. Und doch ist er einer der bekanntesten und beliebtesten Heiligen der Christenheit geworden. Wo die historischen Quellen schweigen, erzählen uns die Legenden von einem Menschen, der ganz erfüllt war von Nächstenliebe, Güte und Tatkraft. Nikolaus verhandelt mit Seefahrern, damit sie Getreide an hungernde Menschen geben. Er schenkt jungen Frauen heimlich Goldstücke, damit sie nicht in die Prostitution gezwungen werden.
Er rettet unschuldig Verurteilte vor dem Tod und hilft Seefahrern in stürmischer Not. Immer ist er einer, der hinschaut, wahrnimmt und handelt.
Nikolaus verkörpert einen Glauben, der sich in tätiger Liebe ausdrückt – mutig, kreativ und mitten im Leben.
Was ihn bis heute so lebendig macht, ist nicht die Fülle an Geschichten, sondern die Haltung, die sie verbindet: Mitmenschlichkeit. Nikolaus vertraut darauf, dass Güte und Barmherzigkeit stärker sind als Angst und Eigennutz. Er steht für eine Liebe, die Grenzen überwindet, die aufrichtet und ermutigt, die dem Leben neue Perspektiven eröffnet.
Gerade in unserer Zeit, in der viele Sicherheiten bröckeln und sich Menschen neu orientieren müssen, sind seine Werte aktueller denn je. Wo die Angst wächst, verliert die Liebe oft an Raum. Doch Nikolaus erinnert uns daran, dass das Gegenteil möglich ist: Wenn wir einander wahrnehmen und mit offenem Herzen begegnen, entsteht Gemeinschaft. Wenn wir teilen, was wir haben – Zeit, Aufmerksamkeit, Worte, Zuwendung – dann verändert sich etwas zum Guten.
Das Fest des Heiligen Nikolaus lädt uns ein, uns anstecken zu lassen von seiner Liebe und Menschenfreundlichkeit. Es sind oft die kleinen Gesten, die Großes bewirken: ein zugewandtes Lächeln, ein aufmunterndes Wort, eine wertschätzende Rückmeldung, eine Einladung zum Essen, Hilfe beim Einsteigen in den Bus, eine überraschende Postkarte, ein Gebet, ein ehrenamtliches Engagement oder eine Spende an eine Initiative, die sich um Bedürftige kümmert. Jede und jeder von uns kann ein bisschen Nikolaus sein – dort, wo wir leben und wirken.
So wird aus einem alten Heiligenfest eine Ermutigung für heute:
Liebe kann Wege öffnen, wo wir keine mehr sehen. Mitmenschlichkeit kann heilen, wo Misstrauen und Angst regieren. Und wer gibt, erfährt selbst, wie reich das Leben sein kann.
Ralf Sauer,
Sozialpädagoge und Koordinator im Pastoralen Raum Bad Brückenau und an der Jugendbildungsstätte Volkersberg









