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Theaterring
Mamlock und seine verlorenen Illusionen
Gustav Peter Wöhler (Mitte) spielte den jüdischen Arzt Professor Mamlock in dem gleichnamigen Stück von Friedrich Wolf.
Gustav Peter Wöhler (Mitte) spielte den jüdischen Arzt Professor Mamlock in dem gleichnamigen Stück von Friedrich Wolf. // Thomas Ahnert
Bad Kissingen – Das Ensemble Hamburger Sprechwerk gastierte mit dem Stück „Professor Mamlock“ im Kurtheater und begeisterte das Publikum.

Mit einem Stück, das sein Autor Friedrich Wolf bereits 1933, kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, schrieb, gastierte das Ensemble Hamburger Sprechwerk im Kurtheater.

„Professor Mamlock“ handelt von dem berühmten jüdischen Arzt Professor Hans Mamlock, der in Berlin in der Illusion lebt, dass er seine Familie heraushalten kann aus den politischen Wirren und Bedrohungen des Nationalsozialismus. Vor allem seine Familie versucht er zu schützen vor den Ideologien der Zeit, was ihm nicht gelingt, denn sein Sohn geht in den kommunistischen Untergrund, während er selbst glaubt, seine Arbeit als gefeierter Krankenhausarzt weiterführen zu können.

In ihrer Aufführung kamen die Hamburger mit einem achtköpfigen Ensemble, das den Krankenhaus-Kosmos mit Ärzten, Krankenschwestern wie auch die Familie Mamlocks und ihre Positionen in Mamlocks renommiertem Krankenhaus zeigte.

Und die waren höchst gespalten. Denn zwei der Ärzte, Dr. Hellpach (Holger Umbreit) und Dr. Inge Ruoff (Jasmin Buterfas), setzen ganz auf Hitler, ihre Kollegen Dr. Hiirsch (Stephan Ahrweiler) und Dr. Seidel (Joachim Liesert), der Chefredakteur der „Neuen Zeitung“, der sich als Patient im Krankenhaus aufhält, äußern stärkste Bedenken. Die Übrigen halten sich aus der Diskussion heraus: Krankenschwester Ellen Mamlock, die Frau des Professors (Theresa Berlage), ihre Tochter Ruth, die auch den Krankenwärter Simon spielt (Stella Wiemann) und ihr Sohn Rolf (Christoph Plöhn).

Vor Energie sprühend

Die wesentliche Person ist natürlich von Anfang an Professor Mamlock, den Gustav Peter Wöhler als zwar ruhigen, aber, wenn es um seine Arbeit ging, meist auch vor Energie sprühenden Familienvater, Wissenschaftler und Klinikchef gab. Seine selbstvergessene Konzentration nur auf seine Arbeit war durchgehend ebenso glaubhaft und sympathisch wie seine Sorge um seine Familienangehörigen. Was er sich auf das Heftigste verbietet, sind politische Diskussionen in seinem Haus. Geführt werden sie natürlich trotzdem.

Regisseur Aron H. Matthiasson ist es gelungen, aus diesem reinen Dialogstück eine spannende

Angelegenheit zu machen, indem er seine Aufmerksamkeit auf die textliche Klarheit richtete. Und dadurch fiel auf, dass Friedrich Wolf aus seinem Pariser Exil die deutschen Verhältnisse nicht nur sehr genau beobachtete, sondern auch ihre unsägliche Entwicklung mehr oder weniger klar voraussagte.

Vieles der Fiktion wurde zur Realität

Sicher, der Reichstagsbrand vom Februar 1933 und der Erlass des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, das das Ziel hatte, alle Juden aus den öffentlichen Ämtern zu entfernen, waren bereits Fakt, als er zu schreiben begann. Aber vieles der Fiktion in dem Text wurde im Laufe der Zeit zur Realität.

Sei es das Eindringen der Pöbeltruppen der SA in das Krankenhaus, um „nichtarische“ Ärzte abzuholen (gezeigt wird diese Szene allerdings nicht) oder das Abtauchen des Sohnes Rolf Mamlock in den kommunistischen Untergrund.

„Arische“ Ärzte mussten sich per Unterschrift verpflichten, nicht für einen jüdischen Chef zu arbeiten, was natürlich auch zu heftigen internen Auseinandersetzungen führte. Der Argwohn hielt Einzug, aber auch die Verunsicherung. Dass Mamlock selbst bleiben durfte, nachdem er zuvor erst einmal Hausverbot bekommen hatte, hatte er nur dem Erlass zu verdanken, dass verdiente Weltkrieg-I-Teilnehmer in ihren Ämtern bleiben können.

Großer Idealist und Moralist

Aber Mamlock, der große Idealist und Moralist, der an das Gute glaubt und den Staat für eine sakrosankte Einrichtung hält, muss erkennen, dass er mit seinen Ansprüchen gescheitert ist. Und auch da ist er konsequent: Er geht hinaus und erschießt sich.

Der von Aron H. Matthiasson konzipierte Bühnenraum – eine bühnenbreite Glaswand mit einer Türe und ein breites Sofa – bot viel Platz für das Wohnzimmer der Familie Mamlock, aber auch für die ineinander übergehenden Dienstbesprechungen und heftigen Auseinandersetzungen des Krankenhauspersonals. Matthiasson nutzte die Glaswände der Bühnenraumbegrenzung, um die gesamte Breite der Bühne bespielen zu können, was der Aufführung mehr Raum gab.

Verwelktes Symbol der Hoffnung

Ansonsten war auf jegliche Requisite verzichtet, die auch nur den kleinsten emotionalen Ankerpunkt hätte bieten können. Die Gefühlswelt war ausgeschlossen, zeigte sich nur in den Dialogen. Nur im dunklen Bühnenrückraum, hinter der Glaswand stand ein kleiner eigens angestrahlter Baum – vermutlich ein Symbol der Hoffnung. Er sah allerdings schon sehr verwelkt aus – durchaus ein Sinnbild unserer heutigen, immer stärker polarisierten Zeit. Der Applaus für die Hamburger Truppe war lang.

(Gerhild Ahnert ist Vorsitzende des Theaterrings.)

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