Wird man mit Kunst konfrontiert, gelingt es selten, sie zu ignorieren. Augenblicklich ist eine Meinung dazu gebildet, auch wenn nur jene, dass das Geschaffene überflüssig ist. Meistens wird Kunst emotional bewertet – als schön, hässlich, nichtssagend oder provokant; oder als zutiefst berührend. Jede Reaktion entzieht sich weitestgehend der eigenen Kontrolle, weil sie intuitiv geschieht. Einen ebenfalls emotionalen Zugang zu seiner Kunst hat auch der Künstler. Und das mag der entscheidende Grund dafür sein, dass er mit seinem Werk manche Menschen so sehr zu berühren vermag. Botschaften von einer emotionalen Ebene zur anderen sind eindringlich.
Beherrscht ein Künstler einmal die notwendige Technik für seine Arbeit, kann er sich dabei mehr und mehr auf das einlassen, was ihn beschäftigt; oder auch auf das, was ihn als Mensch ausmacht. Auf diese Weise entstehen Kunstwerke, die sozusagen Einblicke in die Seele des Künstlers geben. Die Forchheimer Malerin Iris Löhr sieht ihre Bilder sogar als Abdrücke ihrer Seele und hat deswegen ihre aktuelle Ausstellung „Seelenabdruck“ genannt.
Ausstellung gibt Einblicke ins Innere
In den meisten Situationen des öffentlichen Lebens zu sich selbst zu stehen, ist für viele Menschen eine Frage des Mutes. Ihr Inneres in der Öffentlichkeit zu zeigen, bedeutet für sie vor allem, sich angreifbar zu machen, und damit muss man umgehen können. Mut gehört auch dazu, seine Kunst auszustellen und sie somit der Kritik preiszugeben. Vor allem dann, wenn man sie – auch wenn verschlüsselt – als Hinweis auf sein Innenleben betrachtet. Iris Löhr geht mit ihrer Ausstellung einen Schritt weiter. Indem sie ihr den Namen „Seelenabdruck“ gibt, weist die Künstlerin explizit darauf hin, dass jedes Bild, welches zurzeit in der Stadtbücherei Forchheim hängt, ihr Inneres abbildet. Wieso kann diese Malerin das tun, wovor manche zurückschrecken?
Die Antwort ist, wie so oft, kompliziert. Und klingt zunächst nach einer Plattitüde, nach hundertmal zu oft gehörten inhaltsarmen Lippenbekenntnissen für etwas schwer Erreichbares und doch so oft Gewünschtes: die Selbsterkenntnis. Jeder Plattitüde, jedem herumgereichten Kitsch wohnt jedoch eine ursprüngliche Wahrheit inne. Jenen Menschen, die es schaffen, dorthin durchzudringen, merkt man es an, auch Iris Löhr. Die Malerin hat in ihrem Leben zunehmend genauer erfahren, wer sie ist und was sie ausmacht. Der Weg dorthin aber „war harte Arbeit“. In ihrer Ausstellung zu dem zu stehen, was sie ausmacht, ist deswegen für Iris Löhr eine logische Konsequenz.
Iris Löhr begann schon als Mädchen mit dem Malen
Am Anfang dieses Weges steht eine große Leichtigkeit: Das Kind zeichnet und malt, „seit ich den Stift halten kann“. Die notwendige Technik lernt das Mädchen über viele Jahre bei der Forchheimer Künstlerin Milada Weber. Mit der Schulzeit beginnt der Leistungsdruck. Er schraubt sich über die Jahre hoch, bis die Lehramtsstudentin nicht anders kann, als die Reißleine zu ziehen. Sie bricht mittendrin ab und absolviert eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Dies soll für Iris Löhr die erste Konsequenzhandlung dieser Art von mehreren in ihrem Leben werden. Das Ergebnis ist eine neu gesetzte Priorität und eine Erkenntnis: Für einen solchen Schritt braucht sie viel Mut; auch deswegen, weil sie für diesen Richtungswechsel nicht nur Zustimmung erntet. Dennoch geht es ihr besser.
In welchem Umfang Iris Löhr ab jetzt ihre Bedürfnisse berücksichtigt, ist vom Grad ihres Leidensdrucks in untragbaren Lebenssituationen abhängig. Das Malen ermöglicht ihr jedes Mal eine meditative Distanz dazu. Aus ihrem Leben ist diese Arbeit nicht mehr wegzudenken. Löhr lernt weitere Techniken, besucht Seminare und Kurse. Irgendwann wird ihr bewusst, wie sehr ihr intuitiver Zugang zur Malerei es ihr ermöglicht, Probleme zu verarbeiten und sich besser kennenzulernen. Denn „beim Malen geht es mir immer darum, etwas Inneres nach außen zu bringen.“ Auch deswegen sind ihre figürlich-surrealen Bilder in vielen Schichten aufgebaut – fünf bis zehn oder mehr übereinander: „Das ist mein Verarbeitungsprozess. Am Ende ist dann immer etwas Positives da – das, was einem guttut, wenn man es ansieht.“
Schicksalsschlag verändert ihr Leben
Der Tod ihrer Schwester bewirkt den bislang letzten großen Richtungswechsel für Iris Löhr: „Ich saß da und dachte darüber nach, worum es im Leben eigentlich geht. Und dass ich mein Leben dazu nutzen will, auch das zu tun, was ich gerne mag und brauche.“ Löhr macht sich nebenberuflich als freischaffende Künstlerin selbstständig. Dass sie mit diesem Schritt nicht auf uneingeschränkte Zustimmung stoßen würde, ist ihr bewusst. Aber nicht zu dem zu stehen, was sie braucht und wer sie ist, kommt für die Malerin nicht mehr infrage.
Dazu gehört für die Künstlerin auch, ihre aktuelle Ausstellung in aller Offenheit als das zu bezeichnen, was sie für sie ist – ein „Seelenabdruck“. Iris Löhr kann jetzt das tun, wovor manche zurückschrecken, weil sie zweierlei erfahren hat: Dass sie Menschen mit ihren Bildern berühren kann. Und dass Kritik oder ein Mangel an Zustimmung für sie weniger schlimm ist als Selbstverleugnung.
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