„Vorsicht! Das Anhören der Lieder kann zum Nachdenken führen! Depressive Phasen sind nicht ausgeschlossen.“ Eigentlich hätte man für den Auftritt des Liedermacher-Duos Simon & Jan diesen Warnhinweis am Eingang des Kissinger Kurtheaters gebraucht, denn mit ihren tiefgründigen Liedern, die mit viel Wortwitz und feinsinnigen Inhalten gespickt waren, brachten sie gesellschaftliche Fehlentwicklungen auf den Punkt, ohne rechthaberisch oder belehrend zu sein oder mit dem erhobenen Zeigefinger zu drohen.
Dem begeisterten Publikum gefielen diese satirischen Denkanstöße ebenso wie das perfekte Spiel auf der Gitarre, das beide meisterlich und sehr innovativ beherrschten.
Simon Eickhoff und Jan Traphan: Rückblick auf Erfolge
Oldenburg ist die Heimat der beiden, die seit vielen Jahren als Liedermacher auf deutschsprachigen Bühnen unterwegs sind und mittlerweile mit zahlreichen Kabarettpreisen ausgezeichnet wurden. Von daher war es an der Zeit, dass man zurückblickt und ein Best-of-Programm auflegt, mit dem Simon Eickhoff und Jan Traphan im Rahmen des Kissinger Kabarettherbstes auftraten und das bezeichnenderweise den Titel „Das Beste“ trägt.
Die rund 180 Gäste wurden durch vier Gitarren, eine kleine Trommel (Snare Drum), mehrere Mikrofone und ein Sammelsurium an Kabeln auf den musikalischen Schwerpunkt der Veranstaltung hingewiesen, wobei ein besonderes Merkmal erst im Laufe des Abends sehr innovativ eingesetzt wurde: ein Loop, also eine sich wiederholende Sequenz aus gesanglichen oder instrumentellen Elementen, die von den beiden im Laufe der Stücke aufgenommen wurden und den Liedern den Beat und damit eine besondere Dynamik verliehen.
Spott und Klugheit mit ausgefeilten Arrangements
Damit verbunden waren die unterschiedlichsten Musikrichtungen, die nicht nur die Fingerfertigkeiten für das Standardprogramm klassischer Liedermacher repräsentierten, sondern auch mit ein bisschen Folk, ein wenig Hip-Hop, einige Sequenzen Dixieland, Spuren von Reggae oder Beatboxing garniert waren – und manchmal hätte man sich gewünscht, dass die beiden ein instrumentelles Stück mit diesen ausgefeilten Arrangements einflochten hätten.
Dieser Wunsch wurde jedoch von Simon & Jan nicht erfüllt, weil so viel gesagt werden muss – mal im Liedtext selbst, mal in den trockenen Anmerkungen zu den Liedtexten, die von Jan Traphan mit der Attitüde des Humoristen präsentiert wurden.
„Bei den Kühen liefert die Beschallung mit Mozart mehr Milch"
Von der Körpersprache her agierte er wie Piet Klocke, die Älteren werden sich an die ruckhaften, fahrigen Bewegungen des Kabarettisten erinnern, dagegen waren seine Ansagen mal analytisch, wenn er als Problem unserer Zeit „die Ungleichverteilung von … Hirn“ definiert, mal feinsinnig und vielversprechend – so etwa vor der Pause, als das Merchandising im Foyer anstand und Mozart als Umsatzbringer eingespannt wurde: „Bei den Kühen liefert die Beschallung mit Mozart mehr Milch, das wollen wir auch.“
Phantasievoll waren auch die Verknüpfungen des hausgemachten Klimawandels – daran glaubte jeder im Kurtheater! – mit den fünf Sterbephasen der bekannten Forscherin Elisabeth Kübler-Ross und der Publikumsfrage „Wer glaubt, dass es noch klappt?“ – nur neun aus dem Publikum meldeten sich, während das Duo bei den anderen schon die vierte Phase „Depression“ diagnostizierte. In ihren Liedern ging es querbeet durch alle gesellschaftlichen Bereiche, und das mit humorvollem Tiefgang. Schauspieler, die für McDonalds werben, wurden von Simon & Jan mit dem Titel „Geld“ ins Visier genommen, die Religion stand bei „Du bist …. Buddhist“ im Mittelpunkt oder bei „Alles nur gelogen“ ging es um die Politik und die, seit Adam und Eva gefakten Wahrheiten wie „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“.
Zwischen Satire und Ernst
Mal war es eine satirische Auseinandersetzung mit den Trieben beim Stück „Zwischen Pubertät und Midlife Crisis“, mal wurde die Kiffer-Romantik bei „Dichter sein“ auf die Schippe genommen, mal war es ein humorvoller Appell an das Vorstellungsvermögen beim Stück „Stell dir vor, es ist Krieg und …“ – mit der ernüchternden Bilanz: „Irgendein Arsch dann doch.“
Dystopisch wurde es beim Lied „Apokalypse“, wenn ein treibender Rhythmus im Finale mit dem Satz endet „Der Mensch löffelt die Suppe aus, die er sich eingebrockt hat“. Nicht viel besser wurde es bei den fünf Sterbephasen in Verbindung mit dem Klimawandel, das den Liedern wie „Hat sich nicht bewährt“ oder „Weil ich kann“ oder dem zornigen „Leck mich“ ihre nachdenklichen, teils verzweifelten Inhalte gab.
Ein würdiger Abschluss
Nach zwei Stunden versprach Jan Traphan für die stürmisch geforderte Zugabe, dass nun keine schwere Kost mehr komme. Mit der Ballade „Sauf mit mir“ und der Satire „Sahra Wagenknecht“ lösten die beiden das Versprechen ein, mit „Krawall und Remmidemmi“ von Deichkind eher weniger.
Der Lohn für diesen tiefgründigen, musikalisch hochgradigen Abend war der stehende Applaus der begeisterten Gäste.









