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Ausstellung
Kulmbachs dunkelste Stunden
Die Gestapo Nürnberg-Fürth informiert Polizeidienststellen, militärische Kommandos und zivile Behörden über den genauen Ablauf der Deportation.
Die Gestapo Nürnberg-Fürth informiert Polizeidienststellen, militärische Kommandos und zivile Behörden über den genauen Ablauf der Deportation. // Staatsarchiv Würzburg
Signet des Fränkischen Tags von Wolfgang Schoberth
Kulmbach – Die Reichspogromnacht jährt sich am 9. November zum 85. Mal. Aus diesem Anlass eröffnet die Sparkasse in ihrer Hauptstelle in Kulmbach die Ausstellung „Deportation der Kulmbacher Juden in den Tod “.

„Die Ausstellung zeigt eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Stadt Kulmbach. Sie in die Schalterhalle der Sparkasse zu bringen und der Bevölkerung zugänglich zu machen, ist insbesondere mein Wunsch gewesen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Kulmbach-Kronach, Harry Weiß. „Die damaligen Ereignisse sind nur schwer zu ertragen, aber dürfen niemals vergessen werden. Denn nur durch das Gedenken an die Vergangenheit können wir eine bessere Zukunft gestalten und letztlich verhindern, dass sich derartige Verbrechen wiederholen. Wir erinnern uns nicht nur an die Namen und Gesichter der Opfer, sondern auch an ihre Träume und Hoffnungen, die durch diese schreckliche Zeit zerstört wurden“, betont Weiß.

Bahnhof Würzburg, 25. April 1942: Unter der Aufsicht von SS-Leuten werden die Opfer, darunter auch sieben Kulmbacher, mit ihren Habseligkeiten zum wartenden Zug „Da 49“ gebracht, der sie ins Vernichtungslager bringen sollte.
Bahnhof Würzburg, 25. April 1942: Unter der Aufsicht von SS-Leuten werden die Opfer, darunter auch sieben Kulmbacher, mit ihren Habseligkeiten zum wartenden Zug „Da 49“ gebracht, der sie ins Vernichtungslager bringen sollte. // Staatsarchiv Würzburg

Zur Eröffnung der Ausstellung am 9. November um 18 Uhr in der Hauptstelle Kulmbach ist die gesamte Bevölkerung eingeladen. Renate Palder (Flöte) und Pfarrer Wilfried Roid (E-Piano) bringen Musik aus dem jüdischen Melodienfundus Lieder, Tänze und Klezmer-Weisen zu Gehör. Die 22 Roll-ups bieten erschütternde Einblicke ins NS-System: das allmähliche Wirksamwerden der Propaganda, die zunehmende Entrechtung und soziale Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger, am Ende ihre systematische Vernichtung. An Beispielen von Menschen aus Lichtenfels, Coburg und Kulmbach werden ihre Schicksale an Dokumenten und Bildern dargestellt.

Stationen des Antisemitismus in Kulmbach

Schwerpunkt der Ausstellung ist die letzte große Deportation vom April 1942: Die noch hier lebenden Juden werden in einer groß angelegten Aktion erfasst, zusammengetrieben und mit dem Sonderzug Da49 in das Vernichtungslager Sobibor gebracht wurden. Sieben sind es aus Kulmbach, neun aus Lichtenfels, fünf aus Coburg, zehn aus Burgkunstadt, acht aus Kronach, insgesamt 103 aus Oberfranken.

Entstanden ist die Dokumentation als Gemeinschaftsprojekt des Arbeitskreises „Lebendige Erinnerungskultur“ der Städte Coburg (Gaby Schuller, Hubertus Habel), Lichtenfels (Stadtarchivarin Christine Wittenbauer, Manfred Brösamle-Lambrecht) und Kulmbach (Wolfgang Schoberth). Ein kleiner Teil der Ausstellung war vor eineinhalb Jahren im Kulmbacher Stadtarchiv zu sehen.

Schaurige Planung: Die Deportation der letzten Kulmbacher Juden

Was besonders erschüttert, ist die schaurige Planung und bürokratische Perfektion der Maßnahme. Wenige Wochen vorher, im Januar 1942, wurde bei der Wannsee-Konferenz die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen. Der Chef des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, wurde mit der Durchführung beauftragt. Die Gestapo-Leitstelle Nürnberg-Fürth war im fränkischen Raum für die Detailplanung vor Ort zuständig. Sie bediente sich der Mithilfe der Landrats- und Bürgermeisterämter, der Meldeämter und der örtlichen Polizei.

In Kulmbach wurden am Morgen des 24. April 1942 die noch hier lebenden Juden aus ihren Baracken in Ziegelhütten und der Pörbitsch, in die sie nach der Machtübernahme der Nazis verbannt worden waren, zum Güterbahnhof kommandiert. Es waren dies der Viehhändler Nathan Flörsheim mit seiner Frau Selma sowie das Ehepaar Berta und Georg Davidsohn (bis 1933 Geschäftsinhaber am Holzmarkt) mit den Kindern Georg, Albert und Inge.

Vom Kulmbacher Güterbahnhof in den Tod

Mit der Zugfahrt nach Bamberg wurden an den Bahnhofstationen die weiteren Opfer aufgenommen. Nach der Ankunft in Bamberg wurden sie über Nacht im jüdischen Gemeindezentrum „Weiße Taube“ eingesperrt, bis zur Mittagsstunde der Sonderzug Da49 aus Würzburg eintraf. Die Waggons waren bereits mit Hunderten von Menschen überfüllt. Die viertägige Tag-und-Nacht-Fahrt bei geschlossenen Abteilen und ohne Versorgung führte nach Krasnystaw in Ostpolen. Nach ihrer Ankunft mussten die entkräfteten Menschen 16 Kilometer zu Fuß weiter in ein Transitghetto. Nach einigen Wochen im Lager wurde sie am 6. Juni 1942 nach Sobibór gebracht. Keiner der 955 Deportierten überlebte.

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