Kreis Haßberge — Das fassungslose Staunen über den russischen Angriff und das anfängliche Gefühl der Hilflosigkeit ist nach zwei Wochen Ukraine-Krieg einer großen Welle der Hilfsbereitschaft gewichen. Die Menschen sammeln Spenden und dringend benötigte Materialien, um sie an Hilfsorganisationen weiterzugeben. Oder sie starten selbst Konvois, wie jüngst in Trossenfurt, wo 140 Helfer ein Dutzend voll bepackter Lastkraftwagen und Transporter auf den Weg ins Krisengebiet schickten. Es gehe darum, „bei aller Ohnmacht gegenüber dem Krieg etwas Sinnvolles zu tun und direkt Betroffenen zu helfen“, hatte Christian Nickles, einer der Initiatoren erklärt.
Ähnlich ist die Motivation der gerade mal um die 20 Mitglieder zählenden freikirchlichen Christengemeinde Gerolzhofen, die sich etwa zur Hälfte aus Bürgern aus Haßfurt und Umgebung zusammensetzt. Zu ihr und deren Umkreis gehören zahlreiche Gläubige, die ursprünglich aus der Ukraine und Russland stammen. Sie stehen für Harmonie und Völkerverständigung und wollen dem Bombenhagel in Osteuropa Signale des Friedens entgegensetzen.
„Unzählige Menschen haben alles verloren, was sie hatten“, sagt Johannes Schrodt aus Untertheres, ein der Initiatoren der Hilfe für die Ukraine. „Das Elend dort nimmt zunehmend apokalyptische Ausmaße an.“. Die christliche Nächstenliebe verbiete es, tatenlos zuzusehen. „Wir haben das Glück, noch in Frieden und Wohlstand zu leben, aber das kann sich rasch ändern.“
Ohne unnötige Leerfahrten
Seine Gemeinde setzt auf eine Doppelstrategie: Hilfslieferungen mit Transportfahrzeugen, in denen man die Sitze belässt, um auf dem Rückweg Flüchtlinge nach Deutschland bringen zu können.
So erstmals geschehen am Wochenende, als unter Leitung von Waldemar Bergmann als Hauptverantwortlichem mit drei Fahrzeugen Lebensmittel und andere Hilfsgüter Richtung Lviv in die Ukraine transportiert wurden. Die Verteilung des Materials erfolgt dort über die Bibelmission.
„Auf dem Rückweg haben wir dann im polnischen Grenzgebiet elf Flüchtlinge aufgenommen und in Deutschland bei Aufnahmewilligen untergebracht“, erzählt Schodt. Einige brachte man zum Zug, andere lieferte man direkt an der neuen Adresse ab. Unter ihnen war eine Ukrainerin, die jetzt bei Vadim Gorohovschi, einem der Helfer, in Haßfurt untergekommen ist.
Sie und die Fahrer berichteten am Sonntag im Gottesdienst von ihren Erlebnissen. Bewegt zitiert der gelernte Elektroingenieur Schrodt, der später auch als Pastor wirkte, die Worte der Frau: „Euch hat Gott geschickt!“
„Hass erzeugt wieder Hass“
Die Initiative sei rein humanitär und ehrenamtlich, sagt Schrodt, es gehe um „Liebe, die uns etwas kostet – und auch etwas wert ist, etwas bewirkt, ein Zeichen der Hoffnung setzt in dieser brutalisierten Welt“.
Der Brustton der Überzeugung lässt seine Stimme fast überschlagen, wenn er die Sinnlosigkeit des Krieges anprangert: „Hass erzeugt wieder Hass“ und „Frieden ist auf dieser Welt nie durch Waffen, sondern nur durch Liebe zu erreichen“.
Das habe man auch intern in der Christengemeinde klar gemacht, als junge ukrainische Mitglieder in ihrer ersten Empörung darüber sprachen, sie wollten Waffen sammeln und seien bereit, für ihre Heimat zu kämpfen. Seine Gemeinde, sagt Schodt am Telefon, lehne solche Gedanken ab. Sie wolle Gräben nicht noch vertiefen und würde jederzeit russische genauso wie ukrainische oder andere Flüchtlinge unterstützen.
Die Christengemeinde, die inzwischen durch die politische Kommune und den ehrenamtlichen Helferkreis Gerolzhofen unterstützt wird, will weitere Hilfstransporte organisieren. Abgesehen von den Spritkosten, versichert Johannes Schodt, komme „alles zu 100 Prozent den Notleidenden und Hilfsbedürftigen zugute“.










