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Pro/Contra-Kommentar
Gönnen können vs. keine Privilegien
Die Impfungen gehen voran. Sollten die geimpften Menschen in der Folge Privilegien erhalten? Darüber diskutiert die Politik und die Gesellschaft.
Die Impfungen gehen voran. Sollten die geimpften Menschen in der Folge Privilegien erhalten? Darüber diskutiert die Politik und die Gesellschaft. // Marta Fernández Jara/dpa
Bamberg – Diese Frage droht die Gesellschaft zu spalten: Ist eine Sonderbehandlung für Geimpfte richtig? Auch die Bamberger FT-Lokalredaktion ist sich uneins.

Während sich Redaktionsleiter Michael Memmel für möglichst viele Freiheiten für Geimpfte einsetzt, hält das Redakteurin Anette Schreiber für keine gute Idee.

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Michael Memmel: Gönnen können

Ob ich mal wieder gemütlich beim Italiener sitzen und eine Calzone in mich reinfuttern möchte? Ob ich Lust hätte auf ein mitreißendes Konzert oder einen Kabarettabend, der meine Lachmuskeln bis aufs Letzte fordert? Natürlich! Ich will das unbedingt wieder haben. Möglichst schnell, möglichst viel Normalität. Aber ich möchte dies nicht auf Kosten anderer Menschen (leben), deshalb kann ich zähneknirschend die uns auferlegten Regeln akzeptieren. Wenn nun aber Geimpfte diese Freiheiten erhalten können, ohne dass dadurch die Corona-Pandemie auch nur minimal verstärkt wird, dann sollen sie diese bekommen. Gerade die jetzt schon Geimpften aus den höchsten Risikogruppen blicken auf eine schwere Zeit zurück, für die sie etwas Kompensation verdient haben. Und wenn Pizzabäcker, Musiker und Kabarettist durch sie wieder Geld verdienen können, steigt die Chance, dass diese nicht pleite sind, bis auch ich ihre Dienste wieder in Anspruch nehmen kann. Bis dahin ändert sich an meiner Situation ohnehin nichts – und ich muss den Geimpften ja nicht beim Pizza-Essen zusehen.

Michael Memmel
Michael Memmel // Sebastian Schanz

Anette Schreiber: Keine Privilegien

Schon der Begriff Privileg wirkt in der aktuell angespannten Lage nach einem Jahr Pandemie-Dauerstress und Rundumfrust wie Feuer an der Zündschnur. Leiden wir nicht alle unter den Einschränkungen? Jeder an seiner Stelle, der eine sichtbar und laut, der andere still und im Verborgenen. Aber wir sitzen aufgrund der Restriktionen zumindest alle in einem Boot. Wenn da nun einigen, und vor allem noch sehr wenigen, der Umstieg aus dem hölzernen Ruderboot in die Luxusyacht winkt, würde das der bisherigen Solidar- und Leidensgemeinschaft womöglich mehr aufbürden, als sie noch verkraften kann. Statt Privilegien kann nur Gleichbehandlung, gekoppelt mit moderaten, aber dann dauerhaft steigenden Lockerungen statt den bisherigen Achterbahnfahrten wieder für ruhige See in der Gesellschaft sorgen. Also Lockerungen für negativ Getestete und zweifach Geimpfte. Und dann Lösungen für diejenigen, die nicht geimpft werden können, damit sie nicht dauerhaft in der Holzklasse der Gesellschaft ausharren müssen. Die privilegierte Politik sollte das Wort Privileg streichen.

Anette Schreiber
Anette Schreiber // privat
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