Im Juli letzten Jahres hat das Ankerzentrum Bamberg die 2000er-Marke geknackt. Seitdem leben fast durchgehend mehr als 2000 Menschen auf dem Areal, das ursprünglich für 1500 Geflüchtete ausgelegt war.
Doch was steckt eigentlich hinter der Einrichtung? Wie viele Menschen leben wirklich dort und wo kommen sie her? Woran glauben sie? Und wie viele müssen wieder zurück? Der FT hat nachgefragt und Zahlen rund um das Ankerzentrum gesammelt und aufbereitet.
Wie viele Menschen leben im Ankerzentrum?
Seit 2015 gibt es die Einrichtung auf dem ehemaligen US-Kasernengelände in Bamberg-Ost. Es wird von der Regierung Oberfranken im Auftrag der bayerischen Staatsregierung betrieben. Es ist eine Erstaufnahmeeinrichtung, in der alle Asylbewerber nach ihrer Ankunft in Oberfranken untergebracht werden.
Wie lange die Bewohnerinnen und Bewohner bleiben, ist sehr unterschiedlich. Je nach Einstufung bleiben einige Schutzsuchende nur wenige Tage dort, andere wohnen bis zur asylrechtlichen Entscheidung, die Auszug oder Abschiebung bedeuten kann, oft länger als ein Jahr im Ankerzentrum.
Wie die Grafik zeigt, lebten zu Beginn noch deutlich weniger Menschen in der Einrichtung. Seit zwei Jahren steigt die Zahl der Bewohner stetig an.
Von den Bewohnern sind derzeit 1,9 Prozent Ukrainer. Der niedrige Anteil liegt daran, dass Ukrainer von Anfang an einen anderen Status als andere Geflüchtete haben: "Das Besondere bei ukrainischen Geflüchteten ist, dass sie keine "klassischen" Asylsuchenden sind, sondern dass sie bei Ankunft in Deutschland einen sogenannten "vorübergehenden Schutz" nach Paragraf 24 Aufenthaltsgesetz erhalten", erklärt eine Sprecherin der Regierung Oberfranken.
In Oberfranken leben aktuell insgesamt rund 12.500 Ukrainer, das ist ungefähr die Hälfte aller Geflüchteten im Regierungsbezirk. Laut der Regierung Oberfranken leben in Bamberg Stadt aktuell 972 und im Landkreis 1228 ukrainische Geflüchtete (Stand 7.8.2023)
Hohe Belegung führt zu Problemen
Dass die hohe Belegung des Ankerzentrums für die Geflüchteten ein großes Problem darstellt, liegt auf der Hand. Ulrike Tontsch, ehrenamtliche Mitarbeiterin des gemeinnützigen Vereins "Freund statt fremd", hat regelmäßig mit Geflüchteten aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Schicksalen zu tun.
Für Tontsch steht fest, dass die Überbelegung der Einrichtung die Bewohner extrem beeinflusst: "Eine hohe Belegung verstärkt natürlich Aggressivität und psychische Belastung der sowieso schon häufig traumatisierten Menschen, die ja oftmals sehr schlimme Fluchtgeschichten hinter sich haben", gibt sie zu bedenken. "Dazu kommt die Ungewissheit ihres Schicksals und das lange Warten auf eine Entscheidung."
Wie könnte eine Lösung des Problems aussehen? Wohin mit den Menschen, die Schutz brauchen? Auch darauf hat Tontsch eine Antwort: "Aus der Sicht von Freund statt fremd wäre die beste Lösung, wie wir schon seit vielen Jahren immer wieder sagen, die Auflösung des Ankerzentrums und eine dezentrale Unterbringung der geflüchteten Menschen in kleineren Gemeinschaftsunterkünften, wie dies vor 2015 der Fall war."
Der Verein Freund statt fremd zieht aus den Erfahrungen der Arbeit mit den Geflüchteten den Schluss, dass Massenunterkünfte grundlegende bürgerliche Rechte beschneiden. Sie seien menschenunwürdig und politisch und wirtschaftlich unvernünftig, verglichen mit dezentralen Gemeinschaftsunterkünften. Massenunterkünfte bedeuteten Segregation statt Integration.
Wer wohnt im Ankerzentrum Bamberg?
Von allen Bewohnern des Ankerzentrums sind rund 65 Prozent Männer. Dagegen sind nur 16 Prozent der Bewohner weiblich und knapp 19 Prozent sind Kinder unter 18 Jahren.
Dabei gehören 61,8 Prozent der Geflüchteten im Ankerzentrum dem Islam an. Knapp ein Drittel der Bewohner sind Christen. Bei mehr als acht Prozent ist die Konfession unbekannt und 1,3 Prozent der Menschen identifizieren sich als konfessionslos. Nur 0,2 Prozent sind Jesiden.
Jesiden sind eine ethnische Gruppe, die hauptsächlich in Nordsyrien, der Türkei und dem Irak lebt. Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), die seit 2014 im Irak und in Syrien auf dem Vormarsch ist, erkennt die Jesiden nicht als Glaubensgemeinschaft an und hat es sich zum Ziel gemacht, diese zu verfolgen und zu ermorden.
Erst im Januar hatte der Deutsche Bundestag die Taten des IS als Genozid anerkannt. Mit rund 200.000 Jesiden ist die jesidische Diaspora in Deutschland eine der größten weltweit.
Woher kommen die Geflüchteten in Bamberg?
Ein Großteil der Menschen, die im Ankerzentrum leben, kommen aus Syrien. Dort herrscht seit 2011 Krieg. In diesem sind laut Angaben der Malteser bisher mehr als 500.000 Menschen getötet worden, darunter viele Kinder. Schwere Dürren in Folge des Klimawandels sowie eine durch den Krieg völlig zerstörte Infrastruktur verschlimmern die Lage für die Menschen dort enorm.
Weitere 30 Prozent der Menschen kommen aus Georgien, viele davon aus wirtschaftlichen Gründen, so Ulrike Tontsch. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine herrscht in Georgien zudem Angst vor einem Krieg.
Die Bundesregierung diskutiert derweil, Georgien und Marokko zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Die Liste derer umfasst derzeit neben den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auch Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien.
18,7 Prozent der Geflüchteten, die momentan im Ankerzentrum leben, kommen aus Russland. Auch davon lässt sich vermutlich ein großer Teil auf den Krieg gegen die Ukraine zurückführen, da die Menschen aus Angst vor dem Kriegsdienst und staatlichen Repressionen aus dem Land fliehen. Weitere sechs Prozent kommen aus Marokko.
Wie geht es weiter mit dem Ankerzentrum?
Wie die Zukunft des Ankerzentrums aussieht, steht noch nicht fest. Offiziell endet der Vertrag zwischen der Stadt Bamberg und dem Freistaat im Jahr 2025. Tontsch merkt an, dass wenn die Anker-Einrichtung aufgelöst werden soll, entsprechende dezentrale Unterkünfte gesucht und vorbereitet werden müssten. Andernfalls werde die Regierung 2025 ein einfaches Argument dafür haben, dass die Ankereinrichtung weitergeführt werde, da es ja keine anderen Unterkünfte gäbe.
Für Luise Edelmann, die als Ehrenamtliche im Café Willkommen von Freund statt fremd arbeitet, steht fest, dass die Gesellschaft offener sein müsste und sich darauf einstellen muss, dass immer Geflüchtete kommen werden.
"Man muss zudem verstehen, dass Menschen auf der Flucht oftmals ihr Leben riskieren, wenn sie sich in ein Boot setzen, um sich auf den Weg nach Europa zu machen", sagt sie. Flucht und Migration sei für viele Menschen eine Notwendigkeit, keine Option.











