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Buch des Monats
Detektiv mit Down-Syndrom
Joachim B. Schmidt: KalmannForchheim & Fränkische Schweiz
Joachim B. Schmidt: Kalmann // Eva Schram, Diogenes Verlag
Signet des Fränkischen Tags
Bamberg – Joachim B. Schmidts Kriminalroman „Kalmann“ macht uns mit einem außergewöhnlichen Ermittler und einem außergewöhnlichen Ort bekannt.

Woran erkennt man einen guten Krimi? Sicher nicht daran, wie viele Liter Blut vergossen werden. Auch nicht an der Anzahl der Leichen oder den immer abstruseren Tötungsarten. Ein guter Krimi ist spannend, klar. Aber ein guter Krimi hat auch immer etwas Besonderes, das ihn von anderen Krimis abhebt. Joachim B. Schmidt, gebürtiger Schweizer und seit 15 Jahren Wahl-Isländer, hat mit „Kalmann“ (erschienen 2020) so einen guten, ja sehr guten Krimi geschrieben. Das Besondere daran sind der Schauplatz und der Detektiv. 

Zum Schauplatz: Der Krimi spielt in Raufarhöfn, einem winzigen Dorf hoch im Norden Islands, genau 609 Kilometer von Reykjavík entfernt. Abgelegener geht es nicht. Dorthin wird sich wohl kaum je ein Tourist verirren, denn es scheint da nichts Spektakuläres zu geben: nur Schnee, einige seit der Finanzkrise geschlossene Fischfang-Betriebe und ein heruntergekommenes Hotel. Doch dann verschwindet der Inhaber dieses Hotels fast spurlos – nur eine große Blutlache bleibt von ihm im Schnee zurück.

Zum Detektiv: Seit Arthur Conan Doyles Meisterdetektiv Sherlock Holmes erwarten wir, dass der Ermittler eines Krimis von überragender Intelligenz sein muss. Joachim B. Schmidts Detektiv mit Namen Kalmann ist da überraschend anders: Er ist 33 Jahre alt, trägt (mitten im Schneegestöber) Cowboy-Hut und Sheriffstern und hat ein besonderes Talent, das wohl nur Isländer zu schätzen wissen: Er macht den besten Gammel-Hai weit und breit, eine regionale Spezialität aus schrecklich stinkendem, vergorenem Fisch. Und Kalmanns Bewusstsein ist ganz anders als das von Sherlock Holmes; so sagt er von sich: „Es war noch nie richtig vorwärtsgegangen mit mir. Man vermutete, dass die Räder in meinem Kopf rückwärtslaufen. Kam vor. Oder dass ich auf der Stufe eines Erstklässlers stehengeblieben sei. Ist doch mir egal.“ Was er genau hat, wird nicht benannt, aber es ist wahrscheinlich Trisomie 21. Der Roman zeigt uns: Kalmann reagiert aus Sicht der Dorfbewohner manches Mal unüblich, aber er verfügt über (in bester Hinsicht!) so viel Eigenheit, dass nur er den Fall um das Verschwinden des Hotelbesitzers „lösen“ kann. 

Das Besondere an diesem Krimi „Kalmann“? Er ist – psychologisch überzeugend und ohne billigen Sozialkitsch – aus der Perspektive eines geistig ‚eingeschränkten‘ Menschen geschrieben. Er führt uns in eine unwirtliche Gegend, in die wir wohl nur selten reisen werden. Er ist spannend und unterhaltsam. Und in ihm stehen so poetische Sätze wie: „Auf dem Meer gibt es nämlich keine Spuren. Ein Meer sieht immer so aus, als wäre es noch nie von jemandem berührt worden, ausgenommen dem Wind. Ist es nicht seltsam, dass man nur mit Luft Spuren auf dem Wasser machen kann?“ Zweifellos ein guter Krimi!

Joachim B. Schmidt: Kalmann. Roman. Zürich: Diogenes 2020. 351 Seiten, gebunden, 22 Euro.

Das Buch des Monats wird vorgestellt von Andrea Bartl.

 

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