Verkehr
Ist „Triomobile“ die Lösung für den Landkreis?
Über neue Ideen, die in anderen Gegenden schon umgesetzt werden, informierten beim Zukunftsforum im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche in Ebern einige Experten. Im Bild von links: Frank-Michael Uhle (Klimaschutzmanager Rhein-Hunsrück-Kreis), Dennis Vogt (Universität St. Gallen), Bürgermeister Jürgen Hennemann, Vereinsvorsitzender Oliver Kunkel und Markus Hammrich (Regionalentwicklung Bamberg).
Über neue Ideen, die in anderen Gegenden schon umgesetzt werden, informierten beim Zukunftsforum im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche in Ebern einige Experten. Im Bild von links: Frank-Michael Uhle (Klimaschutzmanager Rhein-Hunsrück-Kreis), Dennis Vogt (Universität St. Gallen), Bürgermeister Jürgen Hennemann, Vereinsvorsitzender Oliver Kunkel und Markus Hammrich (Regionalentwicklung Bamberg).
Christian Licha
F-Signet von Christian Licha Fränkischer Tag
Ebern – Der Verein „Wir gestalten Heimat“ holte sich in Ebern Informationen über Mobilitätskonzepte der Zukunft.

Wo waren diejenigen, die sich eine Verkehrswende auf die Fahnen schreiben? Erschreckend leer war die Frauengrundhalle in Ebern, als beim Zukunftsforum im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche hochkarätige Fachvorträge zu nachhaltigen Mobilitätslösungen auf dem Programm standen. Gerade einmal ein Dutzend Menschen – in Worten: zwölf – waren gekommen, wohlgemerkt inklusive Referenten und dem Helferteam des Vereins „Wir gestalten Heimat“ sowie Landrat Wilhelm Schneider und Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann. Aber das war es dann auch schon fast, obwohl alle Bürgermeister des Landkreises samt ihren Stadt- und Gemeinderäten sowie alle Kreisräte eingeladen waren.

So war zum Beispiel mit dem Haßfurter Stadtrat Volker Ortloff nur ein einziger Vertreter der Kreisstadt anwesend, der sich fragte: „Wo sind denn am Samstagnachmittag die Kommunalpolitiker, die gute Themen vorantreiben sollen?“ Noch genauer formulierte es Beate Rink, die der Vorstandschaft von „Wir gestalten Heimat“ angehört: „Als engagierter Bürger fragt man sich schon, wie groß denn das Interesse der Verantwortlichen ist, ihre Bürgern in punkto Mobilität zu unterstützen. Man hat sie ja irgendwann mal gewählt in der Annahme, dass sie sich für die Bürger einsetzen und sich für Vorschläge interessieren.“

Nichtsdestotrotz wurden während der dreistündigen Veranstaltung gute Beispiele präsentiert, wie umweltfreundliche Mobilität in anderen Orten bereits erfolgreich praktiziert wird. Im rheinland-pfälzischen Rhein-Hunsrück-Kreis ist ein dreijähriger Probebetrieb mit Elektro-Dorfautos ein voller Erfolg. Klimaschutzmanager Frank-Michael Uhle ist seit über 20 Jahren beim dortigen Landratsamt beschäftigt und erklärte das Konzept.

Ziel ist es, die Mobilität der Gemeindemitglieder, vor allem für junge Familien ohne Zweitwagen und Bürger ohne eigenes Auto zu verbessern. Außerdem sollten die Nutzer die bereits heute gegebene Alltagsfähigkeit der Elektromobilität wortwörtlich erfahren. Damit wird ein Anreiz geboten, ein Zweitfahrzeug abzuschaffen oder zumindest umweltfreundlich unterwegs zu sein. Als Ergänzung zum öffentlichen Personennahverkehr wird das Dorfauto sehr gut angenommen, insbesondere in kleineren Dörfern, etwa für Einkaufsfahrten, für den Transport von sperrigen Gegenständen, Fahrten mit bis zu fünf Personen, beispielsweise zu Vereins- und Sportveranstaltungen.

Daher wurde ein geräumiges Elektroauto mit herausnehmbarer zweiter Sitzbank gewählt. An einem zentral gelegenen Standort im jeweiligen Dorf wurde eine Ladestation installiert, die mit Ökostrom betrieben wird, vorzugsweise mit einer eigenen Photovoltaikanlage, zum Beispiel auf dem Gemeindehaus. Für die Organisation wurde pro Ort ein „Kümmerer“ als Ansprechpartner benannt, der sich um die Sauberkeit des Fahrzeugs kümmert und die Schlüsselkarten ausgibt.

Die Nutzung, die für die Bürger während der Testphase kostenlos ist, erfolgt mit einer praxiserprobten Buchungssoftware, mit der automatisch die Schlüsselkarte zum gebuchten Zeitpunkt freigeschaltet wird. Nach einer erfolgreichen Testphase in den Orten werden ein dauerhafter Betrieb sowie eine möglichst kreisweite Ausweitung des Konzeptes angestrebt. Angedacht sind dann Gebühren von zwei Euro je Stunde und zehn Cent je gefahrenem Kilometer.

So etwa in der Art wie im Rhein-Hunsrück-Kreis schwebt auch dem Verein „Wir gestalten Heimat“ mit seinem Vorsitzenden Oliver Kunkel (Zeil) für den Landkreis Haßberge vor. „Triomobile“ heißt das Konzept, das die Veranstalter entwickelt haben. Dieses setzt sich aus den drei Punkten Sharing, Rufbus und Mitnahme zusammen. Beim Sharing sollen sich möglichst viele Teilnehmer ein Dorfauto, Pedelec oder E-Lastenrad teilen, während man beim Rufbus mit einer Stunde Vorankündigung sein Fahrziel wählen kann. Das Ganze wird ergänzt durch spontane Mitnahme, wie etwa auf den Mitfahrbänken, Pendlermitnahme oder einem Bürgerbus. Jedes dieser drei Konzepte gebe es bereits in der Realität für sich, aber die Kombination sei ein Pilotprojekt, das von Fachleuten und auch dem Bayerischen Umweltministerium begrüßt wird, sagte Kunkel. All das ist als Ergänzung zusätzlich zu den bestehenden Bus- und Bahnverbindungen angedacht. Unterstützen sollen hierbei auch eine Mitnahme-App und die Mobilstationen, die zum Umsteigen zwischen zwei Verkehrsoptionen und zur Information gedacht sind.

Per Videokonferenz zugeschaltet war Erich Biberich, ein Angestellter der Gemeinde Trofaiach in Österreich. Dort in der Steiermark wurde unter anderem bereits ein Mobilitätsterminal errichtet, wie er in ähnlicher Art auch im Landkreis Haßberge praktikabel wäre. Als „Blickfang“ und „Tor zur Innenstadt“ bezeichnete Biberich die Einrichtung, die eine rund 25-prozentige Mehrauslastung der Busse unter der Woche mit sich bringt, am Wochenende sogar gut 60 Prozent. Ergänzt mit Parkplätzen kann man dort sein Auto stehen lassen und mit einer getakteten Busverbindung regelmäßig in die Bezirkshauptstadt reisen.

Nicht ganz so weit wie die Vorredner ist Markus Hammrich, der im Landkreis Bamberg derzeit das Mobilitätsproblem auf dem Land anpackt. Aktuell wird der gesamte Linienverkehr überplant und die bisherigen Verträge sind zum August 2024 gekündigt. Danach soll es ein erweitertes Angebot geben mit fast einer Verdoppelung der Fahrplan-Kilometer. Statt wie jetzt 2,4 Millionen Fahrplan-Kilometer sollen zukünftig vier Millionen angeboten werden. Je nach Region soll dann im 30-, 60- oder 120-Minuten-Takt der Bahnhof in Bamberg zur Weiterreise mit der Bahn erreichbar sein. Vorerst in Zapfendorf, Bamberg, Ebing und Gundelsheim sind auch Mobilitätsstationen in Planung, die kommendes Jahr in Betrieb genommen werden sollen.

Mit Dennis Vogt von der Universität St. Gallen war ein weiterer Experte anwesend, der besonders auf die Bewerbung neuer Mobilitätsprodukte einging. Bei allem Aktionismus brauche es aber Leute vor Ort, die auch wirklich mitmachen wollen, sagte Bürgermeister Jürgen Hennemann. Das Eberner Stadtoberhaupt sieht es als optimal an, wenn zuerst in kleinen Teilbereichen im Landkreis etwas ausprobiert wird, um die Resonanz zu testen.

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