Mindestens jeder zehnte Covid-19-Erkrankte hat auch noch Wochen oder Monate nach der Viruserkrankung mit anhaltenden oder neu aufgetretenen Beschwerden zu kämpfen. Starke Müdigkeit nach Belastung sowie Abgeschlagenheit, Kurzatmigkeit und Atemnot, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Angstzustände und depressive Verstimmungen sind nur einige der möglichen Symptome eines Post-Covid-Syndroms. Um Patientinnen und Patienten mit schweren und komplexen Krankheitsverläufen eine zentrale Anlaufstelle zu bieten, hat das Uniklinikum Erlangen jetzt ein interdisziplinäres Post-Covid-Zentrum eingerichtet, das am 1. Dezember seine Arbeit aufnahm.
„Das Zentrum ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, um der wachsenden Zahl von teils verzweifelten Post-Covid-Patientinnen und -Patienten zu begegnen“, erklärte Professor Heinrich Iro, Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Erlangen, laut Pressemitteilung bei der Eröffnung, „damit leistet das Uniklinikum seinen Beitrag dazu, das bisher noch kaum erforschte Post-Covid-Syndrom besser zu verstehen.“
Da die Post-Covid-Diagnostik und -Therapie derzeit noch nicht über die Krankenkassen abgerechnet werden können, sind die Behandlungskapazitäten derzeit auf die Neuaufnahme ausgewählter Patienten beschränkt.
Unter dem Dach des neuen Zentrums engagieren sich Mitarbeiter der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung, der Medizinischen Klinik 3 (Rheumatologie und Immunologie) und der Augenklinik. Professor Yesim Erim, Sprecherin des Post-Covid-Zentrums, erklärte: „Die meisten Nachwirkungen einer Covid-19-Erkrankung bessern sich nach vier bis acht Wochen deutlich. Unser Angebot richtet sich deshalb an Menschen, deren Beschwerden auch zwölf Wochen nach Erkrankungsbeginn noch bestehen. Diese Patientinnen und Patienten sollten zuerst ihre haus- oder fachärztliche Praxis kontaktieren.“
Je nach Symptomatik werden in der Post-Covid-Ambulanz des Uniklinikums Erlangen verschiedene Untersuchungen veranlasst. Zur Diagnostik gehören die optische Kohärenztomografie-Angiografie (OCT-A) zur Untersuchung der kleinen Blutgefäße der Augen, Blutanalysen, ein psychosomatisches Gespräch und die psychometrische Testung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Zum Abschluss erhalten die Patienten eine diagnostische Einordnung und konkrete Therapieempfehlungen.
Forscher gehen derzeit davon aus, dass jeder dritte Post-Covid-Betroffene psychische Auffälligkeiten zeigt. Dazu gehören Angst, Depression, posttraumatische Belastungsstörungen, erhebliche Schwäche und Erschöpfbarkeit (Fatigue), Schlaf-, Stress- und Zwangsstörungen sowie Somatisierungen. Erste Untersuchungen des Teams um Bettina Hohberger von der Augenklinik des Uniklinikums hatten 2021 gezeigt, dass Covid-19 die Mikrozirkulation des Auges verändert, das heißt, dass die Viruserkrankung die Durchblutung kleinster Netzhautgefäße stört.
Da die Forscher das Auge als Fenster zum Körper betrachten, nehmen sie derzeit an, dass von einem verringerten Blutfluss in der Netzhaut auf eine mangelhafte Durchblutung des gesamten Organismus und damit auf die Post-Covid-Symptomatik geschlossen werden kann. Bei manchen Post-Covid-Betroffenen lässt sich Sars-CoV-2 in den Atemwegen, in einzelnen Organen oder im Verdauungstrakt noch monatelang nachweisen. Man spricht hier von Viruspersistenz.
Forscher vermuten zudem, dass verschiedene Autoantikörper – Eiweiße, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten – im Blut von Covid-19-Erkrankten langwierige Symptome mitverursachen könnten.
Symptome entscheiden über Therapie
Das Post-Covid-Syndrom ist derzeit noch eine Ausschlussdiagnose, das heißt: Es gibt keine eindeutige organische Erklärung für die Symptome, und die Diagnose wird gestellt, indem alle Krankheitsbilder ausgeschlossen werden, die die Beschwerden der Patientin oder des Patienten erklären könnten.
„Eine kausale Therapie steht uns aktuell leider noch nicht zur Verfügung“, erklärte Yesim Erim bei der Eröffnung der neuen Ambulanz, „aber es gibt erste Hinweise dafür, dass eine multimodale psychosomatische Behandlung, eine lungenfachärztliche und neurologische Rehabilitation sowie weitere Maßnahmen zu einer deutlichen Besserung führen und die Lebensqualität steigern können.“
Hier gibt es weitere Informationen
Weitere Informationen gibt es unter post-covid-zentrum.uk-erlangen.de. Zu beachten ist, dass nur Betroffene aufgenommen werden, die von ihrem Hausarzt beziehungsweise einem Facharzt mit einem speziellen Anamnesebogen überwiesen wurden. Eine selbstständige Anmeldung ist nicht möglich.
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