Sie sollten dem Herzogenauracher Wiwaweiher vor 50 Jahren einen Hauch von Exotik verleihen: fünf Flamingos – fünf rosarote Farbkleckse für die im Jahr davor aufwendig umgestaltete Renommieranlage. „Eine echte Attraktion, wie man sie sonst nur in Tierparks antrifft“, befand im Juni 1972 der Fränkische Tag. Die Nachricht von den majestätischen Vögeln in der fränkischen Kleinstadt lockte staunende Besucher in Scharen in die kleine Grünanlage. An die Ereignisse vor 50 Jahren erinnert das Stadtarchiv Herzogenaurach.
Massage für die Flamingos
Die Anregung dazu war wohl von den Vereinsmitgliedern der Vogelliebhaber gekommen, die auch versprachen, sich gut um die Neuen in der Stadt zu kümmern. Anton Gehr und Gustav Tejkel holten die als Frachtgut in Sackleinen verschnürten und in Transportkisten verstauten Exoten am Herzogenauracher Bahnhof ab und „massierten ihnen die steifen Stelzen“, bevor sie die Tiere, die durch Beschneiden der Schwungfedern flugunfähig gemacht worden waren, in den Weiher entlassen haben.
Nach den Zeitungsberichten handelte es sich bei den Tieren um „Gäste aus Chile“, um südamerikanische Wildfänge. Finanziert worden war die Aktion durch Spenden von Firmen und Geschäftsleuten. Die Stadt, so der damalige Bürgermeister Hans Ort, „hätte den Betrag nicht geben können“. Mit stolzen 1300 Mark schlugen die Exoten zu Buche.
Aus heutiger Sicht wenig erstaunlich, endete die Geschichte zunächst tragisch. Zwei der Vögel wurden noch im selben Jahr „erschlagen von Rowdies“, wie die Presse vermeldete, zwei weitere Exemplare im August 1973 von freilaufenden Schäferhunden gerissen. Damit stand der Verein vor dem Dilemma, was mit dem letzten Überlebenden geschehen sollte. Als Einzelgänger hätte der gesellig in Kolonien lebende Vogel keine Überlebenschance gehabt. Bevor eine Entscheidung getroffen werden konnte, wurde auch er verendet aufgefunden.
Freiheit im Münsterland?
Die Aurachstädter wagten einen erneuten Anlauf. Bereits im September 1973 stakste ein neues Quintett durch den Weiher von Herzogenaurach, diesmal zwei Chilenen und drei Kubaner, die jedes Jahr mit Beginn der kalten Monate fürsorglich ins geheizte Winterquartier verfrachtet wurden.
Über die folgenden Jahre hinweg erfreuten die Tiere die Spaziergänger, zumindest bis zum Jahr 1980. Dann waren zwei der Flamingos spurlos verschwunden, ein dritter wurde von Unbekannten erschlagen, ein vierter ohne sichtbare Verletzungen tot aufgefunden. Die Ära der exotischen Vögel in der fränkischen Grünanlage war damit zu Ende.
Ende der 1970er Jahre wurde in Deutschland die nördlichste frei lebende Flamingokolonie der Welt entdeckt. Im westlichen Münsterland, direkt an der Grenze zu den Niederlanden, können die Tiere bis heute beobachtet werden. Und wer weiß, vielleicht haben damals ja doch zwei der Herzogenauracher Exoten den Sprung in die Freiheit geschafft. red