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Fischwirte: Der Teich ist ihr Reich
Walter und Simon Jakob, Vater und Sohn, lieben die Arbeit in der freien Natur. Trotzdem mögen sie auch die Technik, die dafür nötig ist, eine moderne, Tierwohl-gerechte Teichwirtschaft zu betreiben.
Walter und Simon Jakob lieben die Arbeit in der freien Natur. Trotzdem mögen sie auch die Technik, die dafür nötig ist, eine moderne, Tierwohl-gerechte Teichwirtschaft zu betreiben.
Diana Fuchs
Die fränkische Fischwirtsfamilie Jakob kann sich das Leben ohne Teiche nicht vorstellen: (von links) Marianne, Michael, Walter, Simon und Lukas.
Die fränkische Fischwirtsfamilie Jakob kann sich das Leben ohne Teiche nicht vorstellen: (von links) Marianne, Michael, Walter, Simon und Lukas.
Jakob
Quirlig sind sie, die kleinen Karpfen.
Quirlig sind sie, die kleinen Karpfen.
Diana Fuchs
In der Unteralbacher Halle laden Vater und Sohn die lebende Fracht ab.
In der Unteralbacher Halle laden Vater und Sohn die lebende Fracht ab.
Diana Fuchs
Quirlig sind sie, die kleinen Karpfen.
Quirlig sind sie, die kleinen Karpfen.
Diana Fuchs
Diana Fuchs von Diana Fuchs Die Kitzinger
Mühlhausen – Eine Arbeit, die Natur und Technik vereint: Warum Walter und Simon Jakob kein Fitnessstudio brauchen und welcher "Modefisch" aktuell beliebt ist.

Den Kescher lässig geschultert, steigt Walter Jakob zum Wasser hinunter. Der Uferbereich des Drei-Herzen-Teichs ist abschüssig und dicht bewachsen mit Blumen, Schilf und Gräsern. Jakob hat über seine Jeans eine dunkelgrüne Gummihose gezogen. So kann er trockenen Fußes in den Teich hineinwaten.

Seine Schritte sorgen für kleine Wellen auf der Wasseroberfläche. Auf einmal tauchen neben dem 57-Jährigen unzählige silberne Blitze auf, sie kommen kurz an die Oberfläche, schillern im Sonnenlicht, tauchen wieder in den Schwarm ein. Walter Jakob begrüßt die Silberlinge: „Auf geht’s, heut’ wird umgezogen.“

Fünf, sechs Zentimeter lang sind die kleinen Blitze. Es sind wenige Wochen alte Karpfen, die im Mai als „Stecknadelköpfli“ eingesetzt wurden. 500.000 von ihnen, jedes nur ein, zwei Millimeter winzig, ließen Walter Jakob und sein Sohn Simon im Frühling in dem mittelfränkischen See gleiten.

Fein gemahlenes Getreide für die Kleinen: Simon Jakob hat einen Futterautomaten für Karpfenbabys geöffnet.
Fein gemahlenes Getreide für die Kleinen: Simon Jakob hat einen Futterautomaten für Karpfenbabys geöffnet.
Diana Fuchs

Hier ernährten sich die Fischbabys von natürlichem Plankton und kleinen Getreide- und Leguminosen-Partikeln, die ein Futterautomat auf dem Wasser ihnen spendierte.

"Wir brauchen kein Fitnessstudio"

„Jetzt fischen wir einen Teil der kleinen Karpfen ab und geben sie an einen Aufzuchtsbetrieb weiter“, erklärt Teichwirt Walter Jakob, während er den Kescher immer und immer wieder durchs Wasser zieht. Sein Sohn Simon hatte zuvor einen Randbereich des Sees mit Hilfe eines Zugnetzes abgesteckt und die Fische quasi umzingelt.

Während Simon nun am Ufer auf der Ladefläche eines Kleintransporters steht und die großen Wasserbottiche dort öffnet, keschert sein Vater die Fischkinder aus dem Wasser. Netz für Netz voller zappelnder Fischlein hebt Walter Jakob in die Höhe. Simon verteilt die Mini-Karpfen auf die Wasserbottiche.

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„Wir brauchen kein Fitnessstudio“, sagt Walter Jakob lachend, nachdem er die letzte Ladung Jungfische zu Simon hochgereicht hat und sich den Schweiß von der Stirn wischt. Teichwirtschaft ist körperliche Arbeit. Und Walter Jakobs Traumberuf. „Ich könnt’ mir nix anderes vorstellen – auch an schlechten Tagen nicht. Ich liebe die Arbeit in und mit der Natur.“

Teichwirtschaft ist körperliche Arbeit. Die nassen Netze haben ein gewaltiges Gewicht.
Teichwirtschaft ist körperliche Arbeit. Die nassen Netze haben ein gewaltiges Gewicht.
Diana Fuchs

Er habe in seinem Leben eine einzige Bewerbung geschrieben, erzählt Walter Jakob: für die dreijährige Ausbildung zum Fischwirt in Höchstadt. „Mein Vater war Angler. Zwar hat mich das Angeln nie gereizt, aber die Fische waren interessant.“

Landwirtschaftlicher Hof wird umgebaut

Für den gebürtigen Nürnberger war es wie ein „doppelter Sechser im Lotto“, dass er mit seiner Marianne nicht nur die Frau fürs Leben kennenlernte, sondern dass diese in Mühlhausen – im Aischgrund zwischen Wachenroth und Pommersfelden, dem größten Karpfenanbaugebiet Frankens – auch einen landwirtschaftlichen Hof hatte, den das junge Paar umbauen konnte.

So war es möglich, dass sich Walter Jakob nach seiner Bundeswehrzeit als Fischwirt selbstständig machte. „Wir haben immer mehr Teiche gepachtet. Mittlerweile sind es 70 Hektar.“ Gleich nach der Hochzeit 1990 gründeten Walter und Marianne Jakob einen Vermarktungsbetrieb für ihre Fische.

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In einem hölzernen Pavillon im Hof des Anwesens können Fischliebhaber seither frische Speisefische aller Art kaufen. „Im Lauf der Zeit haben wir immer wieder um- und angebaut“, blickt Walter Jakob zurück. „Aber wir haben uns nie darauf versteift, dass die Kinder die Teichwirtschaft mal weiterführen. Wir hätten sie in allem unterstützt, was sie tun wollen.“

Die ganze Familie packt mit an

Und doch ist es jetzt so gekommen: Simon, 28 Jahre alt, hat erst eine Lehre im Garten- und Landschaftsbau gemacht, entschied sich dann aber, daheim in den Betrieb einzusteigen. „Ich mag dieses selbstständige Arbeiten draußen einfach“, sagt er. „Das ist total vielseitig und abwechslungsreich. Neben der Arbeit draußen müssen auch Geräte und Fahrzeuge gewartet und repariert oder Netze geflickt werden.“

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Sein Vater ergänzt nicht ohne Stolz: „Der Simon hat sogar ein Mähboot gebaut, mit dem man Algen von der Wasseroberfläche mähen kann.“ Er ist der gleichen Meinung wie sein Sohn: „Es ist dieser Wechsel von Büro, Werkstatt und Natur, von Maschinen und Motoren, Naturbeobachtung und Gewässerkunde. Das alles zu vereinen, macht einfach Freude.“

Auch seine beiden anderen Söhne Lukas und Michael sind mit dem Familienbetrieb verwurzelt. „Lukas hat selbst einen Vermehrungsbetrieb für Karpfen gegründet und hilft ab und zu bei uns mit. Michi lernt Koch und packt auch immer wieder mit an. Das ist schon schön.“

800 Jahre alte Weiher

Klar habe die Selbstständigkeit auch Nachteile, berichtet Simon. „Es gibt halt keinen festen Feierabend, sondern man hat eigentlich immer was zu tun.“ Dafür gebe es aber viele schöne Momente und Erlebnisse, die man in „anderen Jobs“ nicht habe. Sein Vater nickt und formuliert es so: „Wenn wir abends am See oder an der Jagdhütte Brotzeit machen und alle zufrieden sind mit dem Tagwerk, das hat schon was.“

Gerade in solchen Momenten spüre man auch die jahrhundertelange Tradition, die man fortführt. „Manche unserer Teiche sind 800 Jahre alt“, erzählt Walter Jakob. Alle wurden von Menschenhand angelegt, viele von den Zisterziensermönchen. „Fisch war damals sehr begehrt. Und die Teiche waren auch Wasserspeicher.“

Walter Jakob liebt die Arbeit in und mit der Natur.  Die dunkelgrüne Wathose aus Gummi sorgt dafür, dass er nicht dauernd nasse Füße kriegt.
er Jakob liebt die Arbeit in und mit der Natur. Die dunkelgrüne Wathose aus Gummi sorgt dafür, dass er nicht dauernd nasse Füße kriegt.
Diana Fuchs

Alte Namen wie Brandweiher oder Angerweiher zeugen noch heute von ihrer einstigen Funktion. „Die einen waren Löschteiche, zu den anderen hat man im Mittelalter seine Tiere getrieben; Anger ist einfach ein anderes Wort für Hutung.“

Teiche dienen auch dem Naturschutz

Heute erfüllen die Teiche und Teichketten noch viel mehr Funktionen. Egal, ob sie aus Quell- oder Bachwasser gespeist werden oder ob es sich um „Himmelsteiche“ handelt, die das Regenwasser füllt: Sie alle dienen dem Hochwasserschutz und Wasserrückhalt, sind wichtige Stützen des Kleinklimas und eine Oase für Erholungssuchende.

„Die Vielfalt der Arten rund um die Teiche ist grandios: vom Entengelege bis zum jagenden Storch kann man hier alles sehen. Auch Fischadler, Eisvogel, Biber, Kormoran...“ Die beiden letztgenannten Arten verursachen freilich teils auch enorme Schäden.

„Deswegen finde ich es wichtig und gut, dass wir die Teiche für alle interessierten Menschen zugänglich halten, denn nur so können sie verstehen, dass wir auch mal etwas gegen Biber oder Kormoran tun müssen, wenn diese Arten überhandnehmen.“

Frische Ware für die Gastronomen

Bei der Aufzucht der Speisefische helfen den Jakos mehrere Teichbauern aus der Region. Wenn die Fische ausgewachsen sind – bei Karpfen dauert das drei Jahre – nimmt der Familienbetrieb mit einem Lehrling, drei festangestellten Mitarbeitern und einigen Aushilfen sie zurück und vermarktet sie. Manche gehen direkt an die Gastronomie, andere an Privatkunden.

Ihr Zuhause sind zirka 7.000 fränkische Teiche und Weiher. Die Aischgründer Karpfen sind sogar im Ausland beliebt und begehrt.
Ihr Zuhause sind zirka 7.000 fränkische Teiche und Weiher. Die Aischgründer Karpfen sind sogar im Ausland beliebt und begehrt.
Diana Fuchs

„Im Lauf der Jahrzehnte sind da viele freundschaftliche Beziehungen entstanden, zu anderen Teichwirten und zu Gastwirten.“ Generell sieht Jakob, dass die Gastronomie sich verstärkt küchenfertig ausgenommene Filets und Ähnliches wünscht. „Frisch geschlachtete Ware, ’just in time’ geliefert – das ist der Trend auch bei uns in Franken.“

Neben dem Karpfen, dem „Brotfisch“ der Region, werden in der Saison auch Hecht, Schleie, Forelle oder Grasfisch nachgefragt, ebenso der „hochsensible Zander“, wie Walter Jakob ihn bezeichnet und sein Sohn ergänzt: „Den Zander muss man behandeln wie ein rohes Ei.“

Als eine Art „Modefisch“ gelten derzeit der Saibling – „den hat vor zehn Jahren noch keiner gekannt“ – und die Lachsforelle mit ihrem rosa Fleisch. „Was mir positiv auffällt, ist, dass die Verbraucher vermehrt die Regionalität schätzen und Wert legen auf eine nachhaltige Produktion“, stellt Simon Jakob fest. „Das finde ich klasse.“

Verbindung von Tradition und Moderne

Wie auch sein Vater blickt der junge Mann nicht ohne Stolz auf die lange fränkische Teichwirtstradition. „Wir füttern wie vor 300 oder 400 Jahren nur mit Getreide und Leguminosen aus der Region. Wir legen die Teiche wie eh und je regelmäßig trocken und betreiben Grabenpflege.

Getreide und Leguminosen (Hülsenfrüchte) aus der Region: eine Delikatesse für Karpfen.
Getreide und Leguminosen (Hülsenfrüchte) aus der Region: eine Delikatesse für Karpfen.
Diana Fuchs

Auch die Besatzzahlen haben sich nicht groß verändert.“ Das wisse man aus historischen Aufzeichnungen. „Das Schöne an unserem Beruf ist die Verbindung von Tradition und Moderne.“

Letztere äußert sich in High-Tech-Geräten wie Sauerstoff- und PH-Wert-Messanlagen für Flach- und Tiefwasser oder dem so genannten Fish-Fatmeter, mit dem man auf Mikrowellenbasis die Fleischqualität am lebenden Fisch messen kann.

„Diese moderne Technik dient auch perfekt dem Tierwohl, das uns ganz wichtig ist“, betont Walter Jakob. Außerdem trage sie dazu bei, den Fisch optimal wachsen zu lassen: „Man weiß, dass der Karpfen mit höchstens zehn Prozent Fettanteil am besten ist. Also schauen wir, dass wir diesen Wert ziemlich genau erreichen.“ Im Grunde sei es wie beim Menschen: „Mit der richtigen Ernährung – viel Eiweiß, wenig Fett – wird er nicht dick.“

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Fütterungszeit

Nachdem Walter und Simon Jakob die Baby-Karpfen in ihrer Lagerhalle bei Unteralbach abgeladen haben, nehmen sie große Kisten mit Fischfutter an Bord. Ein paar Kilometer geht es durch eine malerische Bachlandschaft, dann stoppt das Fahrzeug unterhalb des Schlosses von Weingartsgreuth.

Dort, am Weiher, in dessen Mitte sich eine Weiden-bewachsene Insel erhebt, beginn nun ein tierisches Schauspiel. Wie auf Kommando rückt eine ganze Horde Enten und Gänse an. „Die wissen genau, dass es jetzt Futter gibt“, stellt Simon Jakob lachend fest. Mit geübter Hand greift er in die Körnermischung, füllt einen Eimer und schleudert den Inhalt in den See.

Mit Schwung schüttet Simon Jakob Fischfutter in den Weingartsgreuther Weiher.
Mit Schwung schüttet Simon Jakob Fischfutter in den Weingartsgreuther Weiher.
Diana Fuchs

Wie eine Sandfontäne leuchtet das Futter in der Sonne, ehe es auf dem Wasser aufplatscht. Von unten schnappen die Karpfen danach, von oben das Geflügel. Nach ein paar Minuten sind alle satt und ziehen wieder ruhig ihre Kreise unter und über Wasser.

Vom Ei bis zum Speisefisch 

Für die Jakobs geht es weiter zu den nächsten Teichen. Der Besatz muss kontrolliert werden. Mit dem „fränkischen Lasso“, einem Wurfnetz, angelt Simon Jakob ein paar K2-Karpfen – so nennen die Teichwirte die Karpfen im zweiten Lebensjahr.

Mit geübter Hand setzt Simon Jakob das fränkische Lasso, ein Wurfnetz, ein.
Mit geübter Hand setzt Simon Jakob das fränkische Lasso, ein Wurfnetz, ein.
Diana Fuchs

Vater und Sohn nehmen jeden Einzelnen in die Hand, kontrollieren Kiemen, Schuppen, Maul. Zufrieden lassen die Männer die je gut 200 Gramm schweren K2-Fische wieder ins Wasser. „Alles okay, denen geht’s gut!

Erst im kommenden Sommer werden diese Tiere schlachtreif sein. „Die Aufzucht erfolgt in traditionellen Teichwirtschaften im dreijährigen Umtrieb. Das heißt: Vom Ei bis zum Speisefisch dauert es drei Jahre“, erklärt Walter Jakob.

Was guckst Du? Der kleine Karpfen muss keine Angst haben: Walter Jakob kontrolliert seinen Wuchs und lässt ihn dann wieder frei.
Was guckst Du? Der kleine Karpfen muss keine Angst haben: Walter Jakob kontrolliert seinen Wuchs und lässt ihn dann wieder frei.
Diana Fuchs

Aus der Region für die Region

Vom Frühjahr bis zum Herbst bleiben die Karpfen in den Abwachsteichen, wo sie sich zu mehr als zwei Dritteln von dem ernähren, was sie im Naturteich vorfinden: Plankton, Algen, Mückenlarven, Maden, Raupen, Insekten, Wasserflöhe, Wasserschnecken und kleine Krebse. „Nur etwa ein Drittel ihrer Ernährung kommt aus Menschenhand.“ Im Herbst wird abgefischt und sortiert.

„Unsere Ökobilanz ist natürlich besser als die der meisten anderen Lebensmittel: aus der Region für die Region.“ Walter Jakob betont, dass heimische Süßwasserfische viel hochwertiges, leicht verdauliches Eiweiß, viele Vitamine und Mineralstoffe enthalten. „Und bevor sie unseren Gaumen erfreuen, hatten sie ein vergleichsweise langes und gutes Leben.“ Dafür bürgen die fränkischen Teichwirte.

INFO: 

Kulturerbe: Die UNESCO hat die Karpfenteichwirtschaft in Bayern zum immateriellen Kulturerbe erklärt. Die naturnahe Erzeugung und die ökologische Bewirtschaftung seien sehr schützenswert.

Aischgrund: Im Aischgrund haben die Karpfenteiche eine jahrhundertealte Tradition. “Aisch“ hat seinen Ursprung im Keltischen und bedeutet “fischreich“. Bereits im Mittelalter legten Mönche, Adelige und Fischbauern hier Teiche an, um Karpfen zu züchten.

Situation: Aktuell gibt es im Aischgrund, dem größten fränkischen Karpfengebiet, rund 1.200 Teichwirte, die zirka 7.000 Weiher und Teiche bewirtschaften. Karpfen sind in allen Monaten, in denen ein “r“ vorkommt, eine willkommene kulinarische Delikatesse.

Schlossmuseum: Im Alten Schloss von Neustadt/Aisch kann man im Karpfenmuseum (www.museen-im-alten-schloss.de) Wissenswertes und Kurioses rund um die Flossentiere erfahren.

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