Es gibt einen Ort, an dem die Welt plötzlich wieder bunt ist. Einen Ort, an dem die Menschen nicht um ihre Sorgen kreisen, sondern umeinander. Sie drehen sich, lachen, schreiten rück-, vor- und seitwärts. Formieren sich zu Polonaisen wie einst der Hochadel oder durchkämmen paarweise hopsend den Saal. Die Kulturfabrik Bamberg, deren Abkürzung Kufa „Kultur für alle“ verspricht, ist Schauplatz eines fränkischen Tanzkurses, der alles Mögliche ist, nur eines nicht: von gestern.
Dafür sorgt ein Unikat. Carolin Pruy-Popp fackelt nicht lange. Und sie steht nie lange still. „Vier Schritte vor, drehen, vier zurück!“ Ruft’s, zeigt’s und alle machen mit. „Gar nicht überlegen, mit welchem Fuß zuerst, einfach los!“ Und schon bewegen sich 50 Personen – vom Teenager bis zum Senior – im Kreis vor und zurück. Für den schmissigen Rhythmus sorgen Klarinettisten, Akkordeon- und Geigenspieler auf der Bühne.
Beim Dreher und bei der fränkischen „Bolga“, beim Galopp und beim Schottisch: Es geht nicht darum, jeden Schritt richtig zu setzen, sondern sich überhaupt auf den Tanzboden zu trauen. Carolin Pruy-Popp ruft: „Das Wichtigste ist, einfach Spaß zu haben, irgendwann fängt alles immer wieder von vorne an!“ Will heißen: Irgendwann kommt man schon wieder in den Takt – egal, ob beim Rheinländer oder bei Reihen- und Figurentänzen wie der Chapelloise oder der Weidenberger Française.
Harald Rink grinst. Er hat sich das Gebot der Musikpädagogin zu Herzen genommen. „Ich hab’ eigentlich keine Tanzader“, gibt der Bamberger zu. „Und fränkisch hab’ ich bis jetzt überhaupt noch nicht getanzt.“ Doch wenn die Kufa als Gastgeber eines regional-volkstümlichen Abends fungiert, mischen sich Harald Rink und seine Kollegin Johanna Heim vom Leitungsteam des „inklusiven soziokulturellen Zentrums“ gern unters Volk, zu dem Menschen mit und ohne Behinderung gehören. Nach einer Stunde ist Rink „g’scheit verschwitzt, aber begeistert“.
Volksmusiksender schaltet Rink privat nicht ein. „Aber live ist das was anderes!“ Johanna Heim gefällt die lockere, mitreißende Art von Carolin Pruy-Popp ebenso wie die Tatsache, dass wirklich jeder einfach mittanzen kann. „Man braucht keine Vorkenntnisse und muss sich auch nicht als Paar anmelden.“ Dass es weder Dresscode noch Altersgrenze gibt, finden wohl alle gut.
Nach jeder Tanz-Tour ist Zeit zum Durchatmen bei kühlen Getränken. Jens, Agnes und Thorsten, die im Lebenshilfe-Wohnheim Stegaurach leben, haben ebenso rote, glückliche Gesichter wie ihr Fahrer und Begleiter Thomas. Sie sind sich einig, dass der Mix aus Live-Musik und Bewegung „einfach total viel Spaß“macht. Harald Rink nickt: „Der Abend ist das krasse Gegenteil von altbacken.“
Mittanzen: Ab 14. Juni wird in der Kufa Bamberg an sechs Mittwochabenden (19 bis 21 Uhr) wieder fränkisch getanzt und musiziert. Organisator ist der Landesverein für Heimatpflege. Für Leitung und Musik ist Carolin Pruy-Popp, die Leiterin der Beratungsstelle für Volksmusik in Bad Berneck, gemeinsam mit David Saam, Andreas Richter und anderen zuständig. Der Teilnehmerbeitrag ist zwischen 25 und 75 Euro frei wählbar. Alle Infos: www.kufa-bamberg.de