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Bad Kissingen
Unterwegs als Buch-Botschafter
Mit „Buch-Botschafter“ Lennart Schaefer (von links) sprachen die Kissinger Autorin Philippa Penn und Literaturkritiker Sigismund von Dobschütz über aktuelle Trends im Buchmarkt.
Mit „Buch-Botschafter“ Lennart Schaefer (von links) sprachen die Kissinger Autorin Philippa Penn und Literaturkritiker Sigismund von Dobschütz über aktuelle Trends im Buchmarkt. // Claudia Bollenbacher
Bad Kissingen – Literatur  Mit dem Lastenrad quer durch Deutschland fährt Lennart Schaefer, um für das Lesen zu werben. Das treibt ihn an.

Seit der Leipziger Buchmesse im März ist der Hamburger Lennart Schaefer (27) als Buch-Botschafter mit seinem Lastenfahrrad quer durch Deutschland unterwegs, um auf seiner „Literadtour“ für das Lesen von Büchern zu werben. Bis zur Frankfurter Buchmesse im Oktober besucht er auf seiner 10.000 Kilometer langen Strecke durch alle 16 Bundesländer Schulen und Verlage, Autorinnen und Autoren und natürlich auch jede Menge Buchhandlungen. Vor wenigen Tagen machte er Halt in der Bad Kissinger Buchhandlung „seitenweise“ (Ludwigstraße).

Erst kürzlich war Lennart Schaefer in Bamberg, wo er mit dem durch seine Sams-Bücher berühmt gewordenen Schriftsteller Paul Maar (87) nicht nur über Kinderbücher, sondern auch über dessen jüngst veröffentlichte Novelle „Lorna“ sprach – eines der wenigen Bücher Maars für Erwachsene. Über Würzburg traf Schaefer nach inzwischen 7500 Kilometern auf dem Lastenfahrrad in Bad Kissingen ein. In der Buchhandlung „seitenweise“ berichtete er in lockerem Gespräch mit einigen Kunden über seinen Werdegang, die Motivation zu seiner „Literadtour“, seine auf dem Roadtrip mitgeführten Bücher und einige Erlebnisse während der vergangenen fünf Monate.

„Ich erlebe das bei vielen, die sagen, ich würde eigentlich gern mehr lesen, aber mir fehlt der Impuls. Dieser Impulsgeber möchte ich sein.“ Damit verdeutliche Schaefer, das Leseförderung nicht nur bei Kindern wichtig ist, sondern erst recht bei Erwachsenen.

„Kinder brauchen Vorbilder“

„Kinder brauchen Vorbilder. Ziel meiner Tour ist, dass möglichst viele Erwachsene das Lesen für sich neu entdecken und wieder zum Buch greifen. Eine bessere Form der Unterhaltung gibt es einfach nicht.“ Er selbst interessiert sich seit seiner Kindheit für Bücher, hat als Schüler mehrere Praktika bei Verlagen und folgerichtig auch seine Ausbildung bei einem Kölner Verlag gemacht.

In der Diskussion mit seitenweise-Inhaberin Claudia Bollenbacher, der Bad Kissinger Autorin Philippa Penn, deren siebter Roman „Piper House. Painting Trust“ gerade vor zwei Wochen erschien, und Literaturkritiker Sigismund von Dobschütz sprach Schaefer über Aktuelles aus der Buchbranche und neue Trends im Buchsektor. „Wird es angesichts elektronischer Medien in Zukunft noch gedruckte Bücher geben?“ war eine zentrale Frage der Diskussionsrunde, in der mit Bollenbacher und von Dobschütz auf der einen sowie Schaefer und Penn auf der anderen Seite gewisse Unterschiede im Leseverhalten der Generationen erkennbar wurden.

Elektronische Medien wie eBooks oder Lese-Apps ersetzen in wachsendem Maß vor allem bei jüngeren Lesern das gedruckte Buch. Auch in Zukunft wird es Print-Ausgaben geben, ist Schaefer nach seinen Tour-Geprächen mit Verlagsverantwortlichen sicher. Allerdings zeigt sich mit Schmuckausgaben sowie Büchern mit Farbschnitt, bei denen das Cover-Motiv auf den farbig bedruckten Schnittkanten der Seiten fortgeführt wird, ein moderner Trend. „Bücher mit Farbdruck haben eine vielfach höhere Auflage als derselbe Titel in klassischem Druck“, machte Autorin Penn den Unterschied deutlich.

Doch auch wenn die Zukunft gedruckter Bücher gesichert scheint, zeichnet sich dennoch ein deutlicher Wandel im Buchhandel ab. „Jeden Monat machen kleinere Fachgeschäfte zu. Schon jetzt gibt es viele Städte ohne Buchgeschäft“, beklagte Buchhändlerin Bollenbacher. Als Grund nannte sie nicht nur das durch den Online-Handel veränderte Käuferverhalten, sondern die gestiegenen Forderungen der Großverlage: „Gemütliche Lese-Ecken und Cafés sind in kleinen Fachgeschäften räumlich und finanziell nicht machbar.“ Wegen der in Deutschland gesetzlich geltenden Buchpreisbindung geht jeder Mehraufwand zu Lasten des Händlers und könnte nur durch eine höhere Provision aufgefangen werden, die die Großverlage allerdings nur den großräumigen und umsatzstarken Handelsketten einräumen. „Wir erleben also im Buchhandel gerade eine ähnliche Entwicklung wie vor 60 Jahren im Lebensmittelsektor, als Supermärkte die kleinen Geschäfte an der Ecke verdrängten“, fasste Literaturkritiker Sigismund von Dobschütz zusammen.

Ein Viertel aller Viertklässler könne zwar lesen, ist aber nicht in der Lage, das Gelesene zu verstehen, zitierte von Dobschütz eine aktuelle Studie. Gerade bei sozial schwachen Familien sei dies der Fall, die sich, selbst wenn sie wollten, teure Bücher nicht leisten können. Gerade diese Kinder müssten doch verstärkt für das Lesen gewonnen werden. „Die Politik muss in die Leseförderung stärker eingebunden werden“, so Buch-Botschafter Schaefer. „Hier sind auch die Kommunalpolitiker gefordert, jede Möglichkeit zu nutzen, um Literatur allen Menschen zugänglich zu machen.“

Nach eintägiger Ruhepause in der Kurstadt radelte Lennart Schaefer weiter ins hessische Steinau an der Straße. Auf der bis zur Frankfurter Buchmesse noch ausstehenden 2500 Kilometer langen Strecke wird der Buch-Botschafter im September in Berlin mit Ex-Vizekanzler sowie Kinder- und Sachbuch-Autor Robert Habeck zusammentreffen. „Das wird spannend“, freut sich Schaefer auf dieses Gespräch.

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