Es ist eine Art neuer Zeitrechnung, die am 25. August 2022 in Bamberg beginnt. 71 Jahre nach der ersten Sandkirchweih haben sich die Verantwortlichen im Bürgerverein und bei der Stadt Bamberg dazu durchgerungen, von den Besuchern des größten Bamberger Festes einen Unkostenbeitrag zu kassieren. Ein Tagesticket und eine Dauerkarte sollen die mittel- und langfristige Durchführung der Großveranstaltung sichern. Dies bestätigt auf Nachfrage Horst Feulner, Geschäftsführer der Sandkerwa Veranstaltungs GmbH.
Eigens für die 72. Bamberger Sandkerwa wurde die Idee eines dünnen Metallplättchens entwickelt. Dieses Tagesticket wird künftig 2,50 Euro kosten und soll an allen 14 Zugangsstellen von Sicherheitskräften überprüft und auch verkauft werden. Unverändert wird es auch 2022 ein hochwertiges Festabzeichen aus Holz geben. Es kostet sechs Euro und kommt einer Dauerkarte gleich.
Vorverkauf soll Schlangen vermeiden
Beide Abzeichen sollen an einer möglichst hohen Zahl von Vorverkaufsstellen erhältlich sein, um lange Schlangen an den Zugängen wie der Unteren oder der Oberen Brücke oder von der Schweinfurter Straße her zu vermeiden. „Wir hoffen auf das Verständnis unserer Gäste“ , sagt Geschäftsführer Horst Feulner. Wie er erklärt, soll das „neue Finanzierungskonzept“ verhindern, dass die Veranstalter auf einem möglicherweise fünfstelligen Defizit sitzen bleiben. „Das wäre angesichts des hohen ehrenamtlichen Einsatzes nicht vermittelbar.“
Feulner begründet die Neuerung zudem mit „erheblichen Kostensteigerungen“ für die Kerwa, die 2022 nach zweijähriger „Corona-Pause“ wieder durchgeführt werden soll. Dabei geht es um Kosten für Sicherheitsauflagen, um den Aufwand für die Reinigung des Festgebietes, das Feuerwerk am Kirchweihmontag und die Organisation des Fischerstechens, alles zusammen voraussichtlich über eine viertel Million Euro.
Die Furcht vor einer Großveranstaltung in der Altstadt, die allen über den Kopf wächst und große Fehlbeiträge verursacht, ist nicht neu. Sie führte bereits 2017 dazu, dass Stadt und Bürgerverein eine gemeinsame Gesellschaft gründeten. Auch einen finanziellen Rettungsschirm hat der Stadtrat damals abgesegnet, der bis heute aber noch nicht in Anspruch genommen wurde. Feulner will, dass es auch 2022 nicht dazu kommt: „Es kann es nicht unser Anspruch sein, dass die Sandkerwa durch Steuergelder finanziert wird.“
Appell verhallte ungehört
Problem in Bamberg: Der seit Jahren immer wieder erneuerte Appell an die Besucher des Festgebiets, sich mit dem Kauf eines Abzeichens an der Finanzierung der Kirchweih zu beteiligen, ist trotz der bekannten Finanzierungsnöte weitgehend ungehört verhallt. Nach den Zahlen, die Feulner nannte, wurden zuletzt kaum mehr als 25 000 Festabzeichen verkauft – bei geschätzt 200 000 Besuchern pro Fest. Auch bei den Standgebühren könne man nicht beliebig an der Gebührenschraube drehen.
Der Bürgerverein IV. Distrikt (BV Sand) stimmt dem neuen Finanzierungskonzept zu, wenn auch, wie es heißt „mit Bauchschmerzen“. Man wolle erreichen, dass die Kirchweih auch in Zukunft durchgeführt werden kann, erklärt Vorsitzende Simone Franke. Mit 2,50 Euro habe man einen maßvollen Preis festgelegt, der von den Besuchern als Unkostenbeitrag akzeptiert werden könne.
Franke berichtet davon, dass sich die Sponsorensuche nach der zweijährigen Pause als schwierig erwiesen habe. Wichtig ist ihr, dass der Eintritt erst ab 18 Uhr gilt und für Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren gar nicht verlangt wird – ebenso für Anwohner. Die Bewohner im Festgebiet und auch die Gäste der Hotels seien von der Regelung ausgenommen.
Tradition und Vergnügen?
Laut Franke ist der Beschluss auch im Bürgerverein positiv aufgenommen worden. Der Zeitpunkt sei richtig, denn man könne davon ausgehen, dass es angesichts der umfassenden Preissteigerungen für Energie ebenso wie für Löhne Verständnis dafür gebe, dass auch die Sandkerwa teurer werden müsse.
Klar sei: Am Charakter der großen Feier soll sich nichts ändern. Vom Fischerstechen bis zum Hahnenschlag werde die große Kerwa auch 2022 auf charmante Weise Tradition mit dem Vergnügen verbinden, sagt Franke.
Ist es eher ein Obolus?
Davon ist auch Jürgen Wirth überzeugt, der vom Bürgerverein beauftragte Geschäftsführer der Sandkerwa GmbH. Laut Wirth ist die Akzeptanz zum Kauf von Festabzeichen vor allem in den Abendstunden gering gewesen. Deshalb habe man sich entschlossen, die Kostenpflichtigkeit erst ab 18 Uhr einzuführen.
„Ich würde das Tagesabzeichen nicht als Eintritt bezeichnen, sondern als kleinen Obolus. Auch bei anderen Veranstaltungen wird mittlerweile ein Obolus verlangt, z.B. beim Altmain-Weinfest. Die Kosten sind sonst nicht mehr zu decken.“
Ulrike Heucken spricht von Tabu-Bruch
Eintrittsgebühr, Abzeichen, Tagesticket? Wie immer man das Kind nennt – das neue „Finanzierungskonzept“ der Kirchweih ist umstritten. „Die Sandkerwa ist doch kein Event“, sagt Ulrike Heucken, früher Geschäftsführerin der Sandkerwa GmbH und grüne Stadträtin. Sie spricht von einer Kommerzialisierung, die dem Ursprungsgedanken zuwiderlaufe. In den Vereinschroniken sei festgehalten, dass für die Sandkerwa niemals Eintrittsgelder verlangt und Absperrungen errichtet werden dürften. Das ist ein „absoluter Tabu-Bruch“.
Heucken fürchtet auch, dass die Kosten fürs Kontrollieren und Kassieren die Mehreinnahmen schnell auffressen. „So etwas läuft ganz schnell aus dem Ruder.“
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