Noch 2007 waren es rund 46.000 Personen, die nach Bayern kamen, 2022 waren es 213.000. Aktuell leben 26.781 Geflüchtete in Oberfranken (Stand August 2023). Wer kam in den vergangenen Jahren nach Bayern und in den Regierungsbezirk? Wie wird entschieden, wer nach Oberfranken geschickt wird - und wer muss wieder zurück und wohin? Wir haben nachgefragt.
Immer mehr Menschen kommen
Betrachtet man die Zahlen der vergangenen Jahre, zeigt sich ein deutlicher Anstieg von Geflüchteten in Bayern und damit auch in Oberfranken (siehe Grafik). In den letzten 15 Jahren hat sich die Anzahl von geflüchteten Menschen mehr als vervierfacht.
Im bayerischen Vergleich erhöht sich stetig der Anteil der Geflüchteten, die in Oberfranken leben. Waren es 2007 noch 4,9 Prozent, stieg der Anteil 2015 schon auf 5,7 und 2022 sogar auf 7,9 Prozent an. Was dabei auffällt ist, dass die Zahlen sich entgegen der Bevölkerungsentwicklung bewegen.
Geflüchtete sind nur kleiner Anteil der Bevölkerung
Während die Bevölkerungszahl in Bayern leicht steigt - von 12,5 Millionen 2007 auf 13,4 Millionen 2022 - stagniert sie im Regierungsbezirk Oberfranken. Hier sind es konstant etwas mehr als eine Million Einwohner. Von der Gesamtzahl der Bewohner und Bewohnerinnen Oberfrankens machten die Geflüchteten im Jahr 2022 also gerade einmal 2,5 Prozent aus.
Fast die Hälfte der Geflüchteten in Oberfranken kommt derzeit aus der Ukraine. "Menschen aus der Ukraine haben von Anfang an einen anderen Status als andere Geflüchtete und erhalten einen sogenannten vorübergehenden Schutz", erklärt eine Sprecherin der Regierung Oberfranken. Dieser besondere Status mache es Ukrainern zum Beispiel möglich, direkt zu Verwandten oder Bekannten zu ziehen, wenn sie ankommen.
Deutschland ist seit Jahrzehnten Einwanderungsland
Dass viele Menschen nach Deutschland kommen, ist keinesfalls ein neues Phänomen - Deutschland ist traditionell Einwanderungsland. Im Deutschen Reich, in der Weimarer Republik und der Bundesrepublik Deutschland hat es immer Migranten und Migrantinnen gegeben. Allerdings sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg mehr Menschen ein - als ausgewandert.
Das Wirtschaftswunder nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte dazu geführt, dass die junge, aufstrebende Republik immer mehr Arbeitskräfte brauchte und diese auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht länger zu finden waren. Daher entstand die Idee, Arbeitskräfte auf Zeit ins Land zu holen, also Gastarbeiter aus Italien, Griechenland und Spanien anzuwerben.
Im Oktober 1961 schloss Deutschland ein Anwerbeabkommen mit der Türkei. Die Migration von Gastarbeitern hat die Bundesrepublik seitdem geprägt. Viele gingen irgendwann in die Heimat zurück – andere blieben dauerhaft und fanden in Deutschland ein Zuhause.
Hohe Anzahl an Asylanträgen in den 1990er-Jahren
Wer in Bayern seit 1987 Asylanträge gestellt hat, haben wir in einer Grafik visualisiert. Sie zeigt, dass nicht erst seit 2015 viele Migranten und Migrantinnen nach Deutschland und Bayern gekommen sind.
Anfang der 1990er Jahre beispielsweise war die Anzahl der Asylanträge mit mehr als 40.000 vergleichsweise hoch, zwischen 2001 und 2006 sank sie von 17.631 auf 4.036. In diesem Zeitraum stellten weniger Menschen einen Antrag auf Asyl als im Jahr 1984.
Warum steigen die Asylanträge seit 1990?
Die hohe Zahl an Asylanträgen Anfang der 1990er Jahre lässt sich auf die deutsche Wiedervereinigung zurückführen. Nach dem Ende der DDR und dem Fall des Eisernen Vorhangs kamen vor allem aus Ost- und Mitteleuropa viele Menschen nach Deutschland. Dieser Trend erreichte 1992 mit circa 440.000 Asylanträgen im wiedervereinigten Deutschland den vorläufigen Höhepunkt.
Doch nicht nur für Arbeiter, sondern auch für Menschen, die auf der Flucht sind und Schutz suchen, ist Deutschland in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Ziele in Europa geworden. Wenn die Angst um das eigene Leben immer größer wird, Bomben ihre Häuser zerstören und der Hunger wächst, bleibt vielen Menschen keine Wahl - damit ist auch der zweite enorme Anstieg an Asylanträgen Ende 2015 und Anfang 2016 zu erklären.
Viele der damaligen Geflüchteten kamen aus Syrien - seit 2011 herrscht dort Bürgerkrieg. 2014 kam es in Syrien und den Nachbarländern wie dem Irak vermehrt zu brutalen Angriffen und Verfolgung von der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), was eine Massenflucht aus dem Land verursachte. Bis heute sind in Syrien laut Angaben der Malteser über 500.000 Menschen gestorben.
Der Weg endet für Geflüchtete nicht in Oberfranken
Krieg, Zerstörung, der Verlust von Angehörigen und Gewalterfahrungen: Geflüchtete müssen traumatische Erfahrungen machen, bevor sie es überhaupt nach Deutschland schaffen. Laut Statistischem Bundesamt sind 2023 bisher 2.096 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer gestorben.
Seit dem Jahr 2014 sind mehr als 27.845 Geflüchtete bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben gekommen oder verschollen, darunter mehr als 20.000 auf der Route Richtung Italien und Malta. Die Dunkelziffern sind sicherlich weitaus höher.
Wer die Fahrt überlebt, darf nicht mit freundlicher Aufnahme rechnen. Italien schickt die Geflüchteten weiter und verstößt so gegen Asylregeln. Tatsächliche Hilfe aus Europa lässt auf sich warten: Die EU verteilt seit Jahren viele Milliarden Euro an Tunesien und andere nordafrikanische Länder, um Migration einzudämmen und Schleusern das Handwerk zu legen. Bislang ohne Erfolg.
Schaffen es die Geflüchteten bis nach Deutschland, ist ihre Reise noch lange nicht vorbei. Sie werden von Station zu Station geschickt, müssen vielerlei bürokratische Prozesse durchlaufen und währenddessen in beengten Gemeinschaftsunterkünften wie dem Ankerzentrum in Bamberg leben.
Und dabei um die Anerkennung ihres Asylantrages bangen. Wird ihr Antrag auf Asyl nicht genehmigt, werden die Geflüchteten dorthin abgeschoben, woher sie geflohen sind. Oder in das europäische Land zurückgeschickt, in dem sie zum ersten Mal Asyl beantragt haben.
Wie werden die Geflüchteten in Bayern verteilt?
Wohin die Geflüchteten in Deutschland weiter verteilt werden, ist relativ klar geregelt. Der sogenannte Königsteiner Schlüssel legt fest, wie viele Geflüchtete in die jeweiligen Landkreise kommen.
"Diese Quote richtet sich nach der Einwohnerzahl und soll damit eine gleichmäßige, solidarische Verteilung aller ankommenden Menschen innerhalb Bayerns gewährleisten", erklärt eine Sprecherin der Regierung Oberfranken.
In Oberfranken landen Geflüchtete zunächst im Ankerzentrum in Bamberg - eine von acht solcher Einrichtungen in ganz Deutschland. Die Landkreise sind dann verantwortlich dafür, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Doch das gestaltet sich oft schwierig.
"Die Leitung vom Ankerzentrum will die Menschen weitervermitteln, aber wohin?", fragt Luise Edelmann, ehrenamtliche Mitarbeiterin von dem Bamberger Verein Freund statt fremd. Der Wohnraum sei knapp und immer wieder gebe es Widerstände aus der Bevölkerung gegen geplante Unterkünfte.
Proteste in Zapfendorf und Schney
Das war zum Beispiel auch Anfang des Jahres in Zapfendorf der Fall, als die Polizei bei einer Gemeinderatssitzung den Saal räumen musste. Nachdem der Gemeinderat sich mehrheitlich für die Errichtung eine Unterkunft ausgesprochen hatte, war es vonseiten der anwesenden Bürger zu Protesten gekommen.
Auch in Schney im Landkreis Lichtenfels brachten Bürger im März massive Einwände gegen eine geplante Containerunterkunft vor. Dort soll 2024 eine Unterkunft mit 66 Plätzen für Geflüchtete eröffnet werden.
Helmut Kurz, stellvertretender Pressesprecher des Landratsamts Lichtenfels, glaubt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz insgesamt deutlich nachgelassen habe. Die Belastungsgrenze der kommunalen Flüchtlingsaufnahme sei bereits deutlich erreicht, wenn nicht sogar überschritten.
Bei den Unterkünften müsse man laut der Ehrenamtlichen Luise Edelmann von Freund statt fremd aber nicht nur den Ort an sich, sondern auch die Lage bedenken. Eine Familie, mit der sie im Kontakt stehe, sei zum Beispiel vom Ankerzentrum Bamberg nach Weismain in eine extrem abgelegene Unterkunft ohne Infrastruktur weitervermittelt worden. "Das erschwert die Integration. Es ist nicht damit getan, Container irgendwo in die Prärie zu setzen", betont Edelmann.
Wie viele Menschen werden abgeschoben?
Während einige Geflüchteten von Unterkunft zu Unterkunft geschoben werden, müssen andere das Land direkt - oder nach langer Wartezeit - wieder verlassen. Wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde, werden sie in ihre Herkunftsländer oder in andere europäische Staaten abgeschoben.
Das passiert vor allem dann, wenn die Geflüchteten in ihren Anhörungen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Fluchtgründe, die Fluchtroute beziehungsweise die Tatsache, dass sie in ihrem Herkunftsland nicht sicher sind, nicht ausreichend belegen können.
Im Jahr 2022 wurden in Oberfranken 274 Personen in ihre Herkunftsländer abgeschoben und 98 Personen in andere europäische Staaten zurückgeschickt. Die Abschiebung in ein anderes europäisches Land nennt man "Dublin-Überstellung".
Das Dubliner Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der am 1. September 1997 in Kraft trat. Dieses europäische Gesetz regelt, welcher Staat für die Prüfung des Asylantrags einer Person zuständig ist. Häufig ist dies das Land, in welchem die Person erstmals europäischen Boden betreten oder für welches sie ein Visum beantragt oder besessen hat.
Wohin werden Menschen abgeschoben?
Ersichtlich ist ein Einbruch der Abschiebungen 2020, was auf Corona zurückzuführen sei, so die Sprecherin der Regierung Oberfranken. "Das lag vor allem am eingeschränkten Flugverkehr und der geringeren Aufnahmebereitschaft der Herkunftsländer aufgrund von Corona-Maßnahmen."
Von 2018 bis 2020 war das Land, in das die meisten Menschen abgeschoben wurden, Georgien. Von dort kommen hauptsächlich Wirtschaftsflüchtlinge, wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nimmt aber auch dort die Angst vor einem Krieg stetig zu. Die Bundesregierung überlegt dennoch, Georgien demnächst in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufzunehmen, so wäre eine Abschiebung dorthin noch einfacher und schneller möglich.
Auch in die sogenannten GUS-Staaten (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) werden laut der Regierung von Oberfranken viele Menschen abgeschoben. Dazu zählen Länder wie Armenien, Aserbaidschan und Moldawien.
Luise Edelmann von Freund statt fremd ist davon überzeugt, dass die Gesellschaft offener sein müsste und sich darauf einstellen, dass immer Geflüchtete kommen werden: "Dass das einfach abreißt, ist eine Illusion."
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