Joachim Umbach hat mit 70 eine wichtige Erfahrung gemacht: „Aus einer Graswurzelbewegung kann etwas Großartiges werden.“ Am Ende etwas Weltbewegendes? Genau das haben die aktuell 50.000 Kinder, Jugendlichen, Frauen und Männer im Sinn, wenn sie am 10. September das weiterführen, was Joachim „Jockel“ Umbach und seine paar Mitstreiter vor Jahren begonnen haben: Flussufer säubern. Heuer erstmals auch in Franken, am Main. Warum hier? Wo sonst? Und was hat das mit den Müllteppichen auf den Weltmeeren zu tun? Joachim Umbach (74) hat Antworten.
Was bitte ist eine Graswurzelbewegung?
Etwas, das von ganz unten kommt und nach oben wächst. Bei uns waren es ein paar Leute, die sich in Düsseldorf einen Müllgreifer schnappten und begannen, ein Stück des Rheinufers sauberzumachen. Bei der nächsten Säuberungsaktion schlossen sich weitere Menschen an, auch an der Mosel und an der Ruhr. Aus der lokalen Aktion wurde etwas Größeres, unsere gemeinnützige GmbH „RhineCleanUp“ entstand. Letztes Jahr haben über 500 Gruppen mitgemacht und mit 40.000 Leuten über 320 Tonnen Müll gesammelt.
Sind Sie schon immer so ein „Saubermann“?
Nein, in meinem ersten Leben war ich Chefredakteur der Schwäbischen Zeitung. Als ich in Ruhestand ging, habe ich gedacht: Da muss noch was kommen. Tja, und jetzt habe ich quasi einen ehrenamtlichen Vollzeitjob, mit dem ich hoffentlich ein bisschen zum Bewusstseinswandel beitragen kann.
Inwiefern sollte unser Bewusstsein sich wandeln?
Acht Millionen Tonnen Müll landen jährlich in den Ozeanen. Der Großteil davon gelangt über die Flüsse dorthin, 20 Prozent stammen von Schiffen, die illegal ihren Müll ins Meer kippen. Fünf große Plastikmüllteppiche gibt es derzeit in den Weltmeeren. Der größte davon zwischen Hawaii und Kalifornien ist fünfmal so groß wie Deutschland. Mikro-Plastik landet in den Mägen von Fischen und gelangt so in die Nahrungskette. Wenn man sich das bewusst macht, kann man doch nicht einfach nichts tun.
Ein Tag Aufräumeifer ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein…
Die CleanUp-Aktion ist die Initialzündung. Mittlerweile sammeln wir nicht nur an einem Tag im Jahr, sondern sind eine Bewegung geworden, die vielfältig aktiv ist. Manche Gruppen sind individuell alle paar Wochen unterwegs. Das ist eine ganz dynamische Entwickelung. Außerdem: Wenn man weiß, dass jede weggeworfene Kippe durch Plastik- und Giftstoffe im Filter 40 Liter Grundwasser verunreinigt, kann man sich ausrechnen, welch gigantische Menge Wasser wir allein mit unserer Aktion am 10. September sauberhalten.
Wen meinen Sie mit „wir“?
Julia Wendlandt und ich an der Spitze, dann kommen die Flussbeauftragten. Für den Main ist das Willi Kohlmann aus Mainz. Er koordiniert alle Einsätze bei Euch in Franken. Willi hat kürzlich in Knetzgau auch die Auftaktveranstaltung zu „Mein Main muss sauber sein“ moderiert. Noch immer können sich Gruppen anmelden und am 10. September ein Stück Ufer absuchen.
Wie läuft das in der Praxis ab?
Die Gruppen nehmen im Vorfeld Kontakt zu uns und zu ihrer Kommune auf. Viele Kommunen unterstützen die Aktion, entsorgen zum Beispiel den gesammelten Müll und stellen Eimer, Handschuhe und so weiter für die Helfer zu Verfügung. Wenn nicht, bekommen die Ehrenamtlichen von uns ein Paket mit Müllsäcken, Handschuhen, Greifern, Aufklebern und so weiter.
Wer finanziert das Ganze? Finanziert wird die Organisation zum großen Teil über einen Hauptsponsor, die „Deutsche Postcode Lotterie“, ansonsten über Spenden.
Wer hat den Main und damit Franken ins Spiel gebracht?
Wir sind mittlerweile an 14 Flüssen aktiv, zum ersten Mal auch an Flüssen, die nicht in den Rhein fließen. In diesem Jahr rückt neben Donau und Spree auch der Main in den Fokus der Organisation, weil sich von dort Gruppen gemeldet haben, die sich beteiligen wollten. Wie gesagt, wir sind eine Graswurzelbewegung.
Seht Ihr Euch als Konkurrenz zu bestehenden Säuberungsprojekten?
Ganz im Gegenteil. Wir sind ein zusätzliches Angebot und freuen uns, wenn wir uns mit bestehenden Projekten vernetzen können. Eines ist sicher: Müll gibt es genug. Der Verpackungswahnsinn hat durch Corona sogar nochmal richtig zugenommen.
Eigentlich müsstet Ihr Euch umbenennen. Wenn Ihr ständig wachst, ist RhineCleanUp zu kurz gegriffen.
Das stimmt (lacht). Nach dem Aktionstag ziehen wir Bilanz und reden vielleicht auch über eine Umbenennung. Am liebsten wäre es uns aber natürlich, wir würden irgendwann einfach überflüssig werden.
CleanUp organisieren: „Mein Main muss sauber sein“: Unter diesem Motto gibt es seit Jahren immer wieder Säuberungsaktionen. Jetzt arbeiten die Organisatoren erstmals zusammen und rufen zum ersten MainCleanUp am 10. September auf. Beteiligen können sich Ortsgruppen der Umweltverbände, Vereine, soziale Einrichtungen, Unternehmen oder Nachbarschaftsgemeinschaften, aber auch Einzelpersonen.
Registrieren: Interessierte können sich auf der Website www.maincleanup.org informieren und anmelden. Für jede Gruppe sollte sich ein Ansprechpartner zur Verfügung stellen. Sobald sich eine Gruppe auf der Website registriert und angegeben hat, wie viele Personen sich an der Säuberungsaktion voraussichtlich beteiligen werden, verschickt „MainCleanUp“ kostenloses Equipment wie Müllsäcke, Handschuhe, Greifer, Warnwesten und so weiter. (ldk)
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