In der Mehrzweckhalle wurde gesungen und getanzt, es wurden Spiele gespielt und auch landestypische ukrainische Köstlichkeiten verzehrt. Knapp einhundert Gäste waren der Einladung von Gemeinde und den Ukrainerinnen gefolgt, die seit Ausbruch des Krieges im Ort leben.
Bereits im November hatten sie sich mit einem kleinen Programm für die Gastfreundschaft der Deutschen bedankt. Nachdem diese Veranstaltung so gut angekommen war, wurde die Idee des Frühlingsfestes geboren. Die Veranstaltung stand unter dem Namen „Maslyana“. So heißt ein ukrainisches Frühlingsfest, das eine ganze Woche lang gefeiert wird.
Auf der mit deutschen und ukrainischen Fahnen geschmückten Bühne boten die Ukrainerinnen vor allem musikalische Stücke auf. Dabei stach insbesondere die eindrucksvolle Stimme von Nataliia heraus. Die ausgebildete Opernsängerin intonierte mit dem traditionellen Instrument der Bandura sehr emotionale Lieder über Liebe und Freundschaft. Aber auch das „Schicksal des Storchs“ oder „Erinnere dich an mich“ thematisierte sie musikalisch.
Neben Nataliia, Inessa, Valerie und den beiden Victorias standen auch zwei Mädchen beim Frühlingsfest mit auf der Bühne. Luisa, deren Großeltern in der Ukraine geboren wurden, aber schon seit vielen Jahren in Deutschland leben, gab ihre Sanges- und Klavierkünste zum Besten. Sie spielte unter anderem das Stück „Shchedryk“ der ukrainischen Komponistin Mykola Leontovych, das sie mit ihrer Klavierlehrerin Valeria Karimova einstudiert hatte. Diese unterrichtete an der bekannten Sokalsky-Kindermusikschule in Charkiv – bis sie im Bombenhagel ihre Wohnung dort verlor und nach Deutschland floh.
Ein Höhepunkt war ein Anruf in die vom Krieg betroffene Stadt– live von der Bühne aus. Adressat war der Vater von Inessa, die als Moderatorin durchs Programm führte. Er feierte just an diesem Tag seinen 85. Geburtstag und hat seine Stadt in dieser Zeit nie verlassen – auch nicht jetzt im Krieg.
„Für mich ist er ein echter Held und auch ein sehr kreativer Mensch. Alles, was ich heute kann, schulde ich ihm“, erklärte Inessa, als sie das Publikum bat, für ihren Vater „Happy Birthday“ zu singen. Sichtlich bewegt sah und hörte er via Videoanruf – Tausende Kilometer entfernt im ukrainischen Charkiv – ein fröhliches Geburtstagslied aus der Mehrzweckhalle Großenseebach aus mehreren Dutzend Kehlen.
Zwei Lehrerinnen für Luisa
Diese Überraschung war definitiv gelungen. Ebenfalls auf der Bühne aufgetreten ist Luisa. Sie ist in Deutschland geboren, sie spricht kein Ukrainisch und versteht es nicht einmal. Dennoch sang sie auf der Bühne, als hätte sie diese Sprache ihr ganzes Leben lang gesprochen.
Was aber nicht weiter verwundert, wenn man erfährt, dass Luisa inzwischen gleich zwei Lehrerinnen aus den ukrainischen Reihen hat: Valeria für Klavier und Nataliia in Gesang. Neben einem Klavierstück trat sie dann beim Frühlingsfest auch mit Nataliia im Duett auf.
Freundschaftliche Treffen
Die Völkerverständigung trägt offenbar Früchte. Nicht nur deutsche Kinder lernen ukrainische Lieder. Auch ukrainische Kinder fingen im Zuge von freundschaftlichen Treffen der Flüchtlinge mit Großenseebacher Bürgern an, deutsche Lieder zu singen. Bei der Darbietung des Liedes „Immer wieder kommt ein neuer Frühling“ der kleinen Veronika aus der Ukraine dauert es nicht lange, bis die ganze Halle laut mitklatschte.
Und das war nicht das einzige Mal, dass das Publikum die reine Zuschauerrolle verließ. Schon zu Beginn der Veranstaltung brachten die Gastgeber ihren Gästen kleine Bewegungsabläufe bei und luden sie ein, bei einigen Darbietungen zu winken oder zu klatschen. Und am Ende tanzte die ganze Mehrzweckhalle gemeinsam zu einem ukrainischen Lied.
Spezialitäten aus der Heimat
Dessen Botschaft: Es ist egal, woher ein Mensch kommt und was er für eine Sprache spricht; nur was der Mensch im Herzen trägt und ihn mit anderen verbindet, sei wichtig. Dass diese Botschaft angekommen war, zeigten die Spiele danach, bei der verschiedene Teams die Teile ukrainischer Trachten richtig anordnen mussten.
Auch die anschließenden Begegnungen am Buffet, bei der die Wartezeit gern mit Gesprächen überbrückt wurde, war ein Beweis dafür. Die Gastgeberinnen hatten nämlich zahlreiche Spezialitäten vorbereitet, um den knapp Hundert Gästen in der Mehrzweckhalle auch die kulinarische Seite ihrer Heimat näherzubringen: von einer Art Rote-Bete-Quiche über Brot mit Salo (Rückenspeck) und Gewürzgurken bis hin zu Benderiki (ukrainische Pfannkuchen) war vieles dabei.
Nach Gesang, Tanz, Leckereien, Spielen und zahlreichen anregenden Gesprächen waren sich am Ende alle einig: Es war ein sehr gelungener Nachmittag, der beide Kulturen näher zusammenbrachte.
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