Kunst & Religion
Wanderin zwischen Glaubens-Welten
Gesicht zeigen: Mahbuba Maqsoodi im und am Spiegel ihrer Wandinstallation.
Gesicht zeigen: Mahbuba Maqsoodi im und am Spiegel ihrer Wandinstallation.
Marion Krüger-Hundrup
Bamberg – Die afghanisch-deutsche Künstlerin Mahbuba Maqsoodi ist Muslimin – und arbeitet für das katholische Hilfswerk „missio“.

Wer den Raum betritt, nimmt zunächst seine lichtdurchflutete Größe wahr. Und doch: Wer sich in der Mitte umdreht und zurückschaut, dem wird plötzlich alles schier zu eng. So dicht, so inhaltsschwer wirkt diese Wandinstallation, zusammengesetzt aus farbigen Glasscheiben in Blau-, Gelb-, Grün-und Rottönen. Eine Fläche, die sich im Dachgeschoss der Zentrale des Internationalen katholischen Hilfswerks „missio“ aufspannt wie ein Segel. Es finden sich dort stilisierte Figuren, die sich überlagern, ineinanderfließen, verschmelzen und sich zu einer wogenden Welle verdichten.

„Beim ersten Blick auf die Wand finde ich mich relativ schnell als Teil des Bildes wieder“, sagt Georg Beirer verblüfft. Es spreche ihn sehr an durch die Vielzahl der dargestellten Menschen, die Dynamik und Kraft, die in den ganzen Bewegungen ist, fügt der promovierte Bamberger Theologe hinzu. „Mir wird klar, dass es sich um unsere Welt handelt, und diese Kreisbewegungen im Bild nach unten hin sind wie eine Umarmung, die alle, die hier im Raum sind, mit hinein nimmt und beim Hinausgehen auch nicht mehr loslässt“, so Beirer.

2.  Mahbuba Maqsoodi wurde von missio-Präsident Monsignore Wolfgang Huber (rechts) beauftragt. Der Bamberger Theologe Georg Beirer (links) interpretiert das Werk spirituell.
2.  Mahbuba Maqsoodi wurde von missio-Präsident Monsignore Wolfgang Huber (rechts) beauftragt. Der Bamberger Theologe Georg Beirer (links) interpretiert das Werk spirituell.
Fotos: Marion Krüger-Hundrup

Auch als theologisch-spiritueller Mentor der Markus-Lüpertz-Fenster in der Bamberger St. Elisabethkirche lässt es sich der kunstsinnige Mann nicht nehmen, die Reporterin des Fränkischen Sonntags zu diesem Ereignis nach München zu begleiten. Denn ein Ereignis ist es allemal, die Künstlerin dieser ungewöhnlichen Wandinstallation zu erleben. Es ist die international gefragte Mahbuba Maqsoodi, eine Wanderin zwischen den Welten und Botschafterin eben dieser Welten.

„In meiner Kunst lasse ich Grenzen verschwinden und sehe immer wieder, dass solche Grenzen fast nur von uns Menschen geschaffen wurden“, sagt die 65-Jährige. So liege ihrer Wandinstallation auch die Grundidee zugrunde, Vielfalt, Bewegung, Hoffnung auszudrücken sowie die Bereitschaft, „nach dem Fallen auf den Boden wieder aufzustehen“.

Die Künstlerin ist davon überzeugt, dass „jeder Mensch mit jedem anderen und der Umwelt in irgendeiner Form verbunden ist, etwas aufnimmt und etwas abgibt, sodass immer ein Wechselspiel entsteht.“ So lädt ihr Kunstwerk den Betrachter im doppelten Sinne ein: Teil des Werkes und der Gemeinschaft zu werden als Figur im Raum und darüber hinaus. Aber auch im Nachdenken hineingewoben in universale Weise des Segels und in die Menschen in ihrer Vielfalt des Glaubens.

Theologe Georg Beirer sagt über das Kunstwerk: „Am Anfang sehen wir uns selbst im Spiegel, dann spiegeln wir uns in den anderen, und dann wird der Spiegel so transparent, dass uns das Antlitz Gottes selbst entgegentritt, und uns Mensch und Schöpfu...
Theologe Georg Beirer sagt über das Kunstwerk: „Am Anfang sehen wir uns selbst im Spiegel, dann spiegeln wir uns in den anderen, und dann wird der Spiegel so transparent, dass uns das Antlitz Gottes selbst entgegentritt, und uns Mensch und Schöpfung verwandelt neu entgegenkommen.
Atelier Maqsoodi

„Ich bin ein Mensch, der an das Humane glaubt, an die Zusammenhänge, die uns Gott oder die Natur geschenkt hat. So betrachte ich alles und fühle mich als ein Teil vom Gesamten“, so die Muslimin Mahbuba Maqsoodi. „Wenn ich etwas so schaffe, dann wird jeder, gleich ob er Muslim, Christ, Buddhist oder Atheist ist, irgendwie eine Empfindung, eine Bindung für und an dieses Bild haben“.

So sehe sie überhaupt kein Problem, sich als Muslimin mit christlichen Inhalten, mit dem Alten und Neuen Testament auseinanderzusetzen: „Die sind ja nicht vom täglichen Leben getrennt!“ Gerade die weltweite Arbeit des Internationalen Hilfswerks „missio“ für die Menschenrechte, für die Bildung von Menschen, gegen die Hungersnöte verkörpere Werte, „die ich sehr schätze“. Und die sie in ihren künstlerischen Werken ausdrücke über alle Grenzen hinweg.

Theologe Georg Beirer sagt: „Am Anfang sehen wir uns selbst im Spiegel, dann spiegeln wir uns in den anderen, und dann wird der Spiegel so transparent, dass uns das Antlitz Gottes selbst entgegentritt.“
Theologe Georg Beirer sagt: „Am Anfang sehen wir uns selbst im Spiegel, dann spiegeln wir uns in den anderen, und dann wird der Spiegel so transparent, dass uns das Antlitz Gottes selbst entgegentritt.“
Atelier Maqsoodi

Da hatte „missio“ als Auftraggeber für die Wandinstallation mit Mahbuba Maqsoodi die ideale Künstlerin für seine Intentionen gefunden: „Frau Maqsoodi hat sich von unseren Ideen inspirieren lassen, Vorgaben im Sinne von Restriktiven haben wir nicht gegeben“, betont „missio“-Präsident Monsignore Wolfgang Huber. Er ist begeistert von der Farbkraft, in denen er die verschiedenen Ethnien, für die sich „missio“ einsetzt, erkennt. Und außerdem spiegelt nach seinen Worten das Werk, das „zum Himmel strebt, durch die Form des Segels die Bewegung wider, wohin missio unterwegs ist“, so Huber. Dazu gehöre auch der interreligiöse Dialog, ein Aufeinander-Zugehen und Bewegen zum Himmel, „also zu Gottes Wirklichkeit“. Wobei Gott durchaus andere Namen haben könne.

Apropos Spiegeln: Je nach Lichteinfall und Tageszeit erzeugen Spiegel im Hintergrund des Glases eine unterschiedliche Stimmung. Für Mahbuba Maqsoodi symbolisiert die Spiegelung die Wahrheit: „Wie wir uns mit der Wahrheit verbinden, diese betrachten je nach gesellschaftlichen Strukturen, in die wir hineingeboren sind, nach Bildungsmöglichkeiten, religiösen Einflüssen kann diese unterschiedlich sein.“

Künstlerin Mahbuba Maqsoodi: „Wenn ich etwas so schaffe, dann wird jeder, gleich ob er Muslim, Christ, Buddhist oder Atheist ist, irgendwie eine Empfindung, eine Bindung für und an dieses Bild haben“.
Künstlerin Mahbuba Maqsoodi: „Wenn ich etwas so schaffe, dann wird jeder, gleich ob er Muslim, Christ, Buddhist oder Atheist ist, irgendwie eine Empfindung, eine Bindung für und an dieses Bild haben“.
Atelier Maqsoodi

Der Theologe Georg Beirer denkt daran, dass alle Spiegel in der Tradition der Mystik davon leben, letztlich durchsichtig zu werden. Das heiße, „am Anfang sehen wir uns selbst im Spiegel, dann spiegeln wir uns in den anderen, und dann wird der Spiegel so transparent, dass uns das Antlitz Gottes selbst entgegentritt, und uns Mensch und Schöpfung verwandelt neu entgegenkommen“. Insofern sei der Spiegel auch ein Bild für die Offenheit auf Transzendenz hin, was schon in der ganzen Architektur dieses Begegnungsraumes in der „missio“-Zentrale zum Ausdruck komme: „Das ist ein symphonischer Schlussakkord für das, was missio will“, erklärt Beirer.

Dafür steht im übertragenen Sinne auch der Lebensweg von Mahbuba Maqsoodi, die in drei Kulturen zu Hause ist: Geboren im afghanischen Herat besuchte sie dort eine Mädchenschule, die ihr liberaler Vater für die Erziehung seiner sieben Töchter gegründet hatte. Nach dem Studium der Chemie, Biologie und Miniaturmalerei unterrichtete sie als Gymnasiallehrerin, verließ Afghanistan jedoch, als ihre Schwester Afifa auf offener Straße von einem Islamisten erschossen wurde. Ein Kunst-Stipendium führte sie nach St. Petersburg in der einstigen Sowjetunion, wo sie unter anderem mit der Kunstgeschichte-Promotion abschloss, dann nach Deutschland, wo sie mit ihrer Familie politisches Asyl erhielt. Seit 1994 lebt sie in München.

Theologe Georg Beirer sagt über das Kunstwerk: „Am Anfang sehen wir uns selbst im Spiegel, dann spiegeln wir uns in den anderen, und dann wird der Spiegel so transparent, dass uns das Antlitz Gottes selbst entgegentritt, und uns Mensch und Schöpfu...
Theologe Georg Beirer sagt über das Kunstwerk: „Am Anfang sehen wir uns selbst im Spiegel, dann spiegeln wir uns in den anderen, und dann wird der Spiegel so transparent, dass uns das Antlitz Gottes selbst entgegentritt, und uns Mensch und Schöpfung verwandelt neu entgegenkommen.“
Atelier Maqsoodi

Obwohl Mahbuba Maqsoodi zu ihren muslimischen Wurzeln als gebürtige Afghanin steht, will Professor Lorenz Korn ihre Werke nicht der islamischen Kunst zuordnen. Der Inhaber des Lehrstuhls für Islamische Kunstgeschichte an der Bamberger Universität beschränkt den Begriff „zeitgenössische islamische Kunst“ auf spezifisch religiöse Kunst, also vor allem Moscheebauten und deren Ausstattung sowie Koranmanuskripte. „Ich sehe keinen Grund, Frau Maqsoodi in ihrer künstlerischen Identität auf ihr religiöses Bekenntnis zu reduzieren“, betont Professor Korn. In einer globalisierten Welt könnten Künstler sich ziemlich frei in Formen und Motiven bewegen.

„Ich male für alle Menschen“

Ja, Mahbuba Maqsoodis Malerei steht für sich – unabhängig vom verwendeten Medium. „Ich male für alle Menschen, völlig losgelöst vom Standpunkt ihres jeweiligen Glaubens“, sagt sie und verweist auf ihre Werke in der saarländischen Abteikirche St. Mauritius in Tholey. Sie hatte sich bei einem Kunstwettbewerb bei Stiftern und Bauherren durchgesetzt und konnte 29 der insgesamt 32 neuen Kirchenfenster gestalten. Drei abstrakte Chorfenster stammen von Gerhard Richter.

Mahbuba Maqsoodi stellt auf ihrem dortigen Fenster-Zyklus biblische Themen und Figuren in einer sprachfähigen und zugleich rätselhaften Weise dar. Gleichwohl zeugen sie von einem tiefen Verständnis der Glaubensbotschaften. Ihr Merkmal. Auch in der Wandinstallation in München.

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