Auto-Diskussion
Coburger IHK begrüßt Vorstoß der Grünen
Grüner, schöner, belebter: So könnten sich die Grünen den Bereich vorm Stadtarchiv in der Steingasse vorstellen. Die Steingasse zu sperren ist einer ihrer Vorschläge zur Verkehrsberuhigung in der Innenstadt.
Grüner, schöner, belebter: So könnten sich die Grünen den Bereich vorm Stadtarchiv in der Steingasse vorstellen. Die Steingasse zu sperren ist einer ihrer Vorschläge zur Verkehrsberuhigung in der Innenstadt.
Grafik: Bündnis 90/Grüne Coburg
Oliver Schmidt von Oliver Schmidt Coburger Tageblatt
Coburg – Mit ihren Vorschlägen für eine verkehrsberuhigte Innenstadt haben Coburgs Grüne etliche politische Mitbewerber auf die Palme gebracht. IHK-Präsident Andreas Engel sieht hingegen durchaus „gute Anregungen“.

Autos rein oder raus aus der Innenstadt? An dieser Frage scheiden sich auch in Coburg immer wieder die Geister. Aktuell wird heftig über das „Sofortprogramm für eine verkehrsberuhigte Innenstadt“ diskutiert, das von den Grünen erarbeitet und vorgeschlagen wurde. Bedenken wurden bereits aus dem Lager von CSU und vor allem FDP geäußert. Die Industrie- und Handelskammer zu Coburg (IHK) hingegen nimmt sehr dezidiert zu den Vorschlägen Stellung.

Was genau findet der IHK-Präsident gut?

In einer Pressemitteilung der IHK wird Präsident Andreas Engel mit den Worten zitiert: „Viele Wege führen zum Ziel der Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.“ Ein wesentlicher Ansatzpunkt sei die Mobilität. Vor diesem Hintergrund sei es „zu begrüßen“, dass der Kreisverband Coburg-Stadt der Grünen ein solches „Sofortprogramm für eine verkehrsberuhigte Innenstadt“ erarbeitet habe. Andreas Engel sagt sogar: „Das Konzept beinhaltet gute Anregungen, die weiter verfolgt werden sollten, wie beispielsweise Optimierung der Nutzerfreundlichkeit in den Parkhäusern, Ausbau des Parkleitsystems sowie Begrünung der Innenstadt.“

Doch laut Engel gebe es auch Kritikpunkte an den Vorschlägen der Grünen: „Notwendig ist ein ganzheitliches Konzept, das wirklich alle Verkehrsträger berücksichtigt, und zwar ohne ideologische Vorurteile oder Ausschlüsse. Hier aber hat man sich nur auf einen Ausschnitt der Mobilität in Coburg fokussiert und dabei auch das Umland ausgeklammert, obwohl das Oberzentrum Coburg nicht ohne die Kaufkraft des Landkreises auskommt.“

Wie wichtig ist das Auto?

Wie der IHK-Präsident weiter ausführt, würden sich viele der vorgeschlagenen Maßnahmen vor allem um das Ziel drehen, Autos aus der Stadt zu verbannen – „und das gegen die ausdrücklichen Bedürfnisse der Menschen“, wie Engel betont. So sei in Städten bis 50.000 Einwohner der Pkw mit Abstand das Haupt-Verkehrsmittel zum Erreichen der Innenstadt. „Wenig überraschend“, so Engel, dominiere der motorisierte Individualverkehr gerade im ländlichen Raum aufgrund mangelnder, gut ausgebauter ÖPNV-Alternative. Das sei ein Ergebnis der „Deutschlandstudie Innenstadt“ (aus dem Jahr 2022), an deren Erstellung neben dem Handelsverband Deutschland auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer beteiligt war.

Umfragen zur Mobilität

Eine Online-Befragung durch die Coburger „Stadtmacher“ im Sommer 2021 sei zu ähnlichen Ergebnissen gekommen, wie Engel erinnert: Demnach nutzen 60 Prozent der Befragten Pkw oder andere Kfz, um in die Coburger Innenstadt zu gelangen. Laut der HDE-Studie „Mobilität beim Innenstadtbesuch“ (2022) sind es sogar 63 Prozent der Befragten, die regelmäßig das Auto nutzen, um in die Innenstadt zu kommen. Für 53 Prozent ist das Auto das Hauptverkehrsmittel.

Autos aus Innenstädten verbannen?

Eine repräsentative Befragung des Verbandes der Automobilindustrie zum Mobilitätsverhalten in Deutschland (2021) kam laut Engel unter anderem zu dem Schluss, dass Maßnahmen, die den Autoverkehr in den Innenstädten reduzieren oder ganz aus den Städten verbannen sollen, in der Bevölkerung nur wenig Unterstützung finden. Zudem sind die Menschen nicht auf eine bestimmte Mobilitätsform festgelegt, sondern offen für unterschiedliche Verkehrsmittel, soweit dies passgenau Angebote sind, die Flexibilität, Unabhängigkeit und Effizienz ermöglichen.

„Individuelle Bedürfnisse“

Andreas Engel kommentiert: „All das zeigt doch, dass die Menschen ein System wollen, das auf ihre individuellen Bedürfnisse optimal abgestimmt ist. Deshalb lehnen wir als IHK solche Vorschläge ab, die von vorneherein bestimmte Verkehrsträger ausschließen. Es müssen Lösungen gefunden werden, die sich in ein Gesamtkonzept einfügen, und diese Lösungen können je nach räumlicher, wirtschaftlicher, städtebaulicher und verkehrlicher Situation unterschiedlich ausfallen. Beschränkungen der individuellen Mobilität vorzunehmen, ohne dass es adäquate Alternativen gibt, geht an den Bedürfnissen der Bürger vorbei. Und ebenso wenig dürfen Gewerbetreibende in ihrer wirtschaftlichen Betätigung eingeschränkt werden – eine Einschätzung, die nicht wenige Coburger Einzelhändler teilen: In Gesprächen mit Branchenvertretern wird beispielsweise oft auf die Bedeutung von Kurzzeitparkplätzen hingewiesen, um nicht gegen Einkaufszentren auf der ,grünen Wiese‘ vollends zu verlieren.“

Die Lage der Parkhäuser in Coburg

Engel weist außerdem darauf hin, dass m Osten der Coburger Innenstadt das Fehlen einer Quartierparkanlage beklagt werde, denn alle Parkhäuser würden sich im Westen der Stadt befinden, was Parksuchverkehr quer durch die Stadt mit zusätzlichem Schadstoffausstoß bedeute.

IHK-Präsident fordert weniger Verbote

Am Ende lautet das Fazit des Coburger IHK-Präsidenten: „Das Programm der Grünen ist eher Wunschvorstellung als auf Alltagstauglichkeit ausgelegt. Aber mit diesem Papier ist ein erster Schritt getan und jetzt müssen die entscheidenden Akteure – Stadtverwaltung, Wirtschaft, Tourismus, Banken, Haus- und Grundeigentümer, Vereine und Verbände, Einzelhändler und Bevölkerung – an einen Tisch, um ein für alle tragfähiges Konzept für eine lebendige, attraktive Coburger Innenstadt mit hoher Aufenthaltsqualität zu entwickeln.“ Zugleich sei er überzeugt, dass es weniger Verbote brauche, sondern mehr Anreize für neue Lösungen ganzheitlicher und nachhaltiger Mobilität. „Dazu gehören neben Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Fahrradwege eben beispielsweise auch innerstädtische Kurzzeitparkplätze, besser aufeinander abgestimmte Ampelschaltungen und die Verbesserung der Park-and-Ride-Angebote.“

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