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Gerichtsprozess
Senior stellt 19-Jähriger nach: Wie ein Richter das bewertet
Ein kurioser Fall wurde am Kulmbacher Amtsgericht verhandelt.
Ein kurioser Fall wurde am Kulmbacher Amtsgericht verhandelt. // BR-Archiv/Tiroch
Signet des Fränkischen Tags von Klaus Rößner
Kulmbach – Liebe ist etwas Schönes. Eigentlich. Wenn sie einseitig ist und sich auf eine Angebetete richtet, die leicht die Enkeltochter sein könnte, kann das fatale Folgen haben. Jetzt entschied ein Gericht.

Von Goethe, dem Dichterfürsten, wird berichtet, dass er sich im Alter von 73 Jahren in eine 19-Jährige verliebt hat. Ulrike von Levetzow hieß die Angebetete, deren Nähe er zwei Jahre lang suchte und die er mit Gedichten und Schokolade überhäufte. Heutzutage könnte Johann Wolfgang deshalb durchaus mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Denn es gibt den Paragrafen der Nachstellung.


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Wegen dieses Schuldvorwurfes musste sich jetzt ein 78-Jähriger vor dem Amtsgericht verantworten. Der Rentner besuchte eine damals 21-Jährige ständig an ihrem Arbeitsplatz. Sie saß zu dieser Zeit an der Kasse eines Kulmbacher Supermarktes. Immer wieder versuchte er, sie in Gespräche zu verwickeln. Oftmals erwarb er nur einen einzigen Artikel – wohl als Vorwand, um mit der jungen Frau in Kontakt kommen zu können.

Doch dabei blieb es nicht. Der Rentner schrieb der attraktiven Blondine Liebesbriefe, die er ihr in den Briefkasten warf oder unter den Scheibenwischer ihres Autos klemmte. Auch der Mutter stellte er solche Nachrichten zu: Sie sollte offenbar als Postillion d´Amour fungieren. Und an Ostern gab es einen putzigen Osterhasen aus Holz für die Angebetete.

Erste Anzeige und Geldstrafe halfen nicht

Der waren allerdings die Avancen des Rentner-Romeos zu viel und sie zeigte ihn an. Der Fall landete schließlich auf dem Schreibtisch von Stefan Käsbohrer. Dem Richter war das Verhalten des Angeklagten sichtlich suspekt, zumal der schon zuvor wegen seiner Aufdringlichkeit gegenüber derselben jungen Frau eine Geldstrafe kassiert hatte. Das war im Dezember des vergangenen Jahres.

Danach war eine Zeit lang Ruhe, aber wenige Monate später setzte der Mann seine dubiosen Aktionen fort. Der greise Galan kontaktierte das Objekt seiner Begierde auf Facebook, Instagram und TikTok, bot ihr gemeinsame Reisen an und schrieb ihr Briefe, in denen er sie auch aufforderte, die Behörden außen vor zu lassen. Zudem forderte er sie auf, ihn zu besuchen.

„Die Geschädigte war in ihrer Lebensführung so beeinträchtigt, dass sie sogar den Job wechselte“, sagte Jan Daniel Fauth als Vertreter der Anklage.

„Er wollte eigentlich nur ein persönliches Gespräch, um alles zu klären, und war überrascht von der Anzeige“, erwiderte Anwalt Stephan Scherdel im Namen des Angeklagten. Und: Sein Mandant habe noch Hoffnung gehabt, die Angebetete wider Willen doch noch umstimmen zu können, um eine „Freundschaft“ mit ihr zu schließen.

Angeklagter: „Liebe kennt kein Alter“

„Liebe kennt kein Alter“, hatte er in einer seiner Nachrichten geschrieben. Gleichaltrige Damen verschmähte der Liebestolle konsequent; die seien nur „widerwärtig und faul“, ließ er durchblicken. Der Richter verdeutlichte, dass die Schreiben in einigen Passagen sogar bedrohlich wirkten, was der Verteidiger allerdings bestritt.

Die junge Frau bestätigte allerdings die Sichtweise des Richters. Sie fühlte sich beobachtet und habe seit den Vorfällen Magen- und Darmprobleme bekommen. „Mir wurde das alles zuviel“, betonte sie. Auf Gespräche mit dem greisen und adipösen Mann mit schütterem Haar habe sie sich anfangs nur aus Mitleid eingelassen.

Im Lauf des Verfahrens wurde deutlich, dass der Angeklagte bereits in früheren Jahren wegen Nachstellung bestraft worden war. Das Bundeszentralregister wies entsprechende Einträge auf. „Sie akzeptieren offensichtlich keine Ablehnung. Wenn Sie so weitermachen, kommen Sie möglicherweise sogar in Haft“, redete der Richter dem Beschuldigten ins Gewissen. Und: „In Ihrem Alter will das keiner.“

Die Gefahr der Wiederholung sah Verteidiger Scherdel allerdings nicht. Unter dem Eindruck des zweiten Verfahrens habe sein Mandant seine Nachstellungen aufgegeben. Er habe keine Hoffnung mehr, dass das mit der jungen Frau „noch etwas wird“.

Der Vertreter der Anklage forderte eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung und eine Geldstrafe von 1500 Euro für das Fehlverhalten.

Der Verteidiger wies auf das Geständnis seines Mandanten hin. Dieser habe die junge Frau in keiner Weise bedroht. „Was hat er denn schon gemacht? Liebesbriefe geschrieben und Osterhäschen geschenkt. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“

So entscheidet der Richter am Ende

Eine Geldstrafe in dieser Höhe könne der Beschuldigte bei seinen geringen Einkünften nicht bezahlen, argumentierte der Anwalt, der drei Monate für schuld- und tatangemessen hielt.

Richter Käsbohrer wählte bei der Strafzumessung den Mittelweg: Fünf Monate auf Bewährung und 600 Euro Geldbuße. Der Angeklagte habe ein Problem mit dem Thema Nachstellung und einen Hang dazu, sich schriftlich auszudrücken: „Wenn Sie gern schreiben, dann schreiben Sie halt ein Buch.“

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