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Cinematic Rock
Frankens erstes Klangkino
Felix Liedel und Martin Kreklau haben jede Menge virtueller Bandkollegen.
Martin Kreklau und Felix Liedel erschaffen ein musikalisches Epos mit Hilfe virtueller Bandkollegen aus dem Computer. // Johannes ’Kanz’ Voigt
Martin Kreklau
Martin Kreklau // Johannes ’Kanz’ Voigt
Felix Liedel
Felix Liedel // Johannes ’Kanz’ Voigt
Kulmbach – Martin Kreklau und Felix Liedel erschaffen ein musikalisches Epos mit Hilfe virtueller Bandkollegen aus dem Computer.

Andere schrauben an Autos. Martin Kreklau und Felix Liedel an Klängen. Statt Maulringschlüssel und Kombizange nutzen sie Gitarre, Schlagzeug und vor allem: die Maus am Laptop. Die beiden Franken perfektionieren eine neue Möglichkeit des Musikmachens. Sie komponieren Melodien und lassen sie von einem Orchester spielen, das es so gar nicht gibt. Mit Hilfe von High-Tech-Software fusionieren sie Martins rockige Gitarre und Felix’ bebende Beats mit pulsierenden Bässen, Folk-Elementen und Orchestersound. Wären sie Autoschrauber, würde man sagen: Sie bauen an einem Wahnsinnsschlitten.

Wer kennt nicht diesen Moment? Da sitzt man nach einem tollen Film im Kinosessel, der Abspann läuft, und man wünscht sich, dass das Licht im Saal ausbleiben und diese wundervolle Filmmusik nicht enden möge. Man möchte weiter träumen und die Gedanken weiter reisen lassen... Natürlich schaltet irgendwer doch das Licht an – und aus ist der Traum. Wohl dem, der jenseits des Kinosaals sein eigenes Kopfkino anschmeißen kann.

Martin Kreklau
Martin Kreklau // Johannes ’Kanz’ Voigt

Martin Kreklau und Felix Liedel ermöglichen das. Als Pioniere im Reich des „Cinematic Rock“ gründeten sie vor fünf Jahren ihr Projekt „Schwarz & Schwärzer“. Die Franken sind keine verrückten Technik-Nerds, sondern Musiker mit Herz und Seele. Sie lieben Live-Auftritte – aber die Möglichkeiten der Computer-Musik faszinieren sie ebenso. „Man kann damit großartige Soundtracks kreieren“, erklärt Felix Liedel und formuliert den größten Vorteil so: „Die Musiker müssen dabei nicht vor Ort sein.“

Felix Liedel stammt aus Bamberg und lebt mittlerweile mit seiner Frau in Würzburg. Er studierte Medien-, Kunst- und Musikwissenschaft und ist inzwischen wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Schweinfurt/Würzburg. Der 35-Jährige hat schon als Kind Schlagzeug gespielt. 2007 hat er den Wahl-Kulmbacher Martin Kreklau kennengelernt, der lange in Bamberg gelebt hat. Die beiden spielten unter anderem in der Bamberger Band „creative carpet“ zusammen, „irgendwas zwischen Alternativ Rock und Hardrock“. Martin Kreklau studierte Germanistik mit Schwerpunkt Kommunikationswissenschaft und europäische Ethnologie und probierte sich als Gitarrist unter anderem in Punkbands aus. „Ich hab’ immer alle möglichen Arten von Musik gehört, auch Hiphop und Klassik. Zu meinen besten Zeiten war ich in sieben Bands gleichzeitig.“

Von Profi-Musikern eingespielt

Doch wie das oft ist im Leben junger Menschen: Die einen ziehen weg, die anderen frönen neuen Interessen. Es wird schwierig, sich zum Proben zu treffen. „In der Situation ist mir bewusst geworden, wie vielfältig die Musikwelt mit Synthesizer und virtuellen Instrumenten ist“, erzählt Felix Liedel. Martin Kreklau nickt. „Da haben wir uns dann richtig reingefuchst.“

Schnell reichte die Freeware nicht mehr aus, kostenpflichtige Software wurde nötig. Man könne da „gut Geld investieren“, sagt Martin Kreklau. „Und noch mehr Zeit! Aber es macht halt auch unheimlich viel Spaß“, betont der 36-jährige Redakteur der Bayerischen Rundschau. „Bei der Musik geht es für mich immer darum, was Neues zu machen.“

Cinematic Rock nennen Felix Liedel (im Bild) und Martin Kreklau die Musik, die sie mit ihrem gemeinsamen Projekt „Schwarz & Schwärzer“ erschaffen.
Cinematic Rock nennen Felix Liedel (im Bild) und Martin Kreklau die Musik, die sie mit ihrem gemeinsamen Projekt „Schwarz & Schwärzer“ erschaffen. // Johannes ’Kanz’ Voigt

In der Praxis funktioniert das so: Die Software stellt Geigen, Flöten und alle anderen Instrumente bereit. Die Originalinstrumente haben Profi-Musiker zuvor eingespielt, jeden Ton einzeln und in verschiedenen Intensitäten. Für ihre Kompositionen nehmen Martin Kreklau und Felix Liedel ihre eigenen Instrumente auf – Gitarre, Schlagzeug, Bass – und fügen die virtuellen hinzu.

„Die Grundmelodie kommt oft von mir, ich gebe Felix einige Akkorde und Melodieläufe. Damit arbeitet er weiter“, erzählt Martin Kreklau. Das funktioniere gut, weil jeder respektiert, was der andere gemacht hat. Felix Liedel: „Nur selten gehen wir einen Schritt zurück, meistens bauen unsere Ideen aufeinander auf.“

Geboren aufm Keller

Auf diese Weise hat „Immernacht“ Gestalt angenommen, das 2018 erschienene erste Album. „Geboren wurde ’Immernacht’ in Bamberg aufm Keller“, erinnert sich Martin Kreklau grinsend. „Ich hab’ zu Felix gesagt: ’Ich muss Dir mal ’n Riff vorspielen’.“ Die Melodie habe an „Hall of the Mountain King“ erinnert, ein romantisches Orchesterstück, in dem es um Trolle, Hexen und den Bergkönig geht. „Wir haben uns unsere eigene Geschichte dazu ausgedacht und ein bisschen in der Mythologie gewildert.“ Es war der Anfang eines Musikprojekts, das mal gewaltig und dramatisch, dann wieder zart und zauberhaft klingt.

Felix Liedel
Felix Liedel // Johannes ’Kanz’ Voigt

Bei Auftritten spielen Kreklau und Liedel live, im Hintergrund läuft das gesampelte Werk. Ist es einfacher, mit einer virtuellen Band zu spielen, als mit Musikern aus Fleisch und Blut? „Nein!“ Martin Kreklau schüttelt entschieden den Kopf: „Der Computer ist unbarmherzig. Wenn du daneben bist, hört das jeder.“ Felix Liedel bestätigt das: „In einer Rockband lassen sich Unsauberkeiten viel leichter kaschieren.“ Das Live-Gefühl sei natürlich ein anderes, wenn man zu zweit statt zum Beispiel zu sechst auf der Bühne steht. Oder gar zu sechzigst. Das nämlich ist Martin Kreklaus Traum: „Die Stücke einmal mit einem richtigen Orchester zu spielen, das wäre Wahnsinn!“

Durch das Konzepthafte ist klar: In Theater- oder Kinosäle passt „Schwarz & Schwärzer“ gut. „Aber wir wollen gern auch mal auf passenden Festivals spielen“, sagt Felix Liedel. Mit den Songs aus dem neuen Album „Anderntags“, das im März 2023 erscheint, könnte das leichter werden, denn: „Diesmal haben wir auch zwei Stücke mit Gesang dabei: Martin und Gastsängerin Anja Großmann sind am Mikrofon zu erleben.“

Während „Immernacht“ vor allem aus der Perspektive des Trolls erzählt – des Monsters, das seiner Umgebung fremd geworden ist – , dreht „Anderntags“ die Situation um: Diesmal geht es um jemanden, der sich in einer Welt aus Monstern wiederfindet. Detailliert vorgekaut wird die Geschichte nicht, die Gedanken sollen individuell reisen.

Bleibt noch der Name des Musikprojektes zu klären. Martin Kreklau: „Vielleicht hat es mit einer gewissen Faszination für die dunkle Seite der Macht zu tun.“ Sein Kollege ergänzt: „…die dunkle und romantische Seite.“

Wer weiß, vielleicht ist der Name ja unbewusst im Kino entstanden. Beim Abspann eines tollen Films. Wenn man sich wünscht, der Saal möge dunkel bleiben und der Soundtrack das Kopfkino weiterlaufen lassen…

Martin Kreklau
Martin Kreklau // Johannes ’Kanz’ Voigt

 

 

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