Verfeindete Brüder
25 Jahre Vertrag - doch Frieden in Irland wackelt
Der britische Premier Rishi Sunak trieb den Deal mit der EU in der Nordirlandfrage voran: Sunak mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach der Konferenz zum „Windsor Framework“.
Der britische Premier Rishi Sunak trieb den Deal mit der EU in der Nordirlandfrage voran: Sunak mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach der Konferenz zum „Windsor Framework“.
Dan Kitwood/PA/dpa
Susanne Ebner von Susanne Ebner Fränkischer Tag
Belfast – Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union störte das empfindliche Kräfteverhältnis in der Region. Irische Parteien sind ein Vierteljahrhundert nach dem Friedensvertrag zerstritten wie eh und je.

Der Weg nach „Stormont“ ist lang. Fast 20 Minuten ist man von einer Hauptverkehrsstraße zu Fuß unterwegs, um das imposante Regierungsgebäude im Osten Belfasts zu erreichen. Im Rahmen einer Führung erlaubt Micky McCoy, der Interessierte schon seit elf Jahren durch das Regionalparlament führt, Besuchern auch auf jenen Stühlen Platz nehmen, die eigentlich den nordirischen Politikern vorbehalten sind.

Denn „Stormont” ist nahezu leer. Wo eigentlich Gesetze für Menschen im nördlichen Landesteil des Vereinigten Königreiches diskutiert und abgesegnet werden sollten, herrscht Stille.

Die Menschen baden es aus, dass sich die irischen Politiker nicht einigen

An den Ausnahmezustand gewöhnt, reagieren viele Menschen in Belfast mit Desinteresse auf die politische Situation. Andere sind verärgert: „Es ist eine Schande, dass eine Partei alles aufhalten kann. Und sie werden immer noch bezahlt”, sagt die 66-jährige Rosemary, eine pensionierte Bibliothekarin, die aus einer katholischen Familie stammt, sich aber als Buddhistin versteht.

Existenziell ist die Lage für jene, die ein kleines Unternehmen führen, wie Ugur. Der 54-Jährige besitzt ein Café im Süden der Stadt. Weil es keine Regierung gibt, habe er dringend nötige finanzielle Hilfen nicht erhalten. „Die Zeiten sind hart”, sagt er.

DUP-Politiker blockieren: Sie fürchten, von Großbritannien abgehängt zu werden

Das Regionalparlament tagt schon seit Februar vergangenen Jahres nicht mehr. Seit Mai 2022 verweigert die erzkonservative protestantische Partei Democratic Unionist Party (DUP) die Regierungsbildung mit der republikanischen Sinn-Fein-Partei – aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll, welches in seiner überarbeiteten Form nun „Windsor Framework“ heißt.

Die Unionisten, die eine enge Anbindung an London suchen, stören sich daran, dass durch das Abkommen die Zollgrenze zwischen der Republik Irland und Nordirland in die Irische See verlegt wurde. Für sie rückte die britische Insel in noch weitere Ferne.

Brexit hat das Kräfteverhältnis in der Region durcheinander gebracht

„Es war unter anderem der Austritt aus der Union, der das empfindliche Kräfteverhältnis in der Region gestört hat“, betont die Politologin Lisa Whitten von der Queen´s University in Belfast. „Durch die Pattsituation ist der 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens für die Menschen in Nordirland eher ein Gedenk- als ein Feiertag“, sagt Gareth Harper, Leiter der Organisation Peace Players in der Region.

Der Vertrag, der am 10. April 1998 in Belfast unterzeichnet wurde, legte unter anderem fest, dass Unionisten und Nationalisten im Regionalparlament gemeinsam regieren sollen. Zusätzlich entspannte sich die Lage, weil es aufgrund der Reisefreiheit innerhalb der EU zwischen Nordirland und Irland keine harte Grenze mehr gab. 2005 erklärte die IRA, den bewaffneten Kampf für beendet.

Der ideologische Konflikt ist nicht begraben, der Nordirland zum Pulverfass machte

Eskaliert war der ideologische Konflikt zwischen 1968 und 1998 während der „Troubles”, erklärt der Stadtführer Paul Donnelly, während er Touristen durch Belfast leitet. Er stoppt im Zentrum der Stadt vor einem Fanshop des „Liverpool FC“.

Wo heute Trikots verkauft werden, explodierte am 4. März 1972 in einem Restaurant eine Bombe. Bei dem Anschlag starben zwei Frauen, 130 Menschen wurden teils schwer verletzt.

Die Region schien bis zum Brexit auf einem erfolgversprechendem Weg

Obwohl Konflikte schwelen, entwickelte sich Nordirland nach dem Karfreitagsabkommen in die richtige Richtung, betont Whitten. Wo einst Kontrollen und Straßensperren zum Alltag gehörten, ziehen heute zahlreiche Pubs und Restaurants Bewohner und Touristen an.

Es gibt auch Stimmen in Belfast, die das Potenzial des Windsor Frameworks sehen

Während die DUP das Windsor Framework weiter ablehnt, argumentieren andere, dass der Deal mit der EU die Situation in Nordirland stabilisieren könne. Schließlich geht es dem Landesteil infolge seiner wirtschaftlichen Sonderstellung deutlich besser als dem Rest des Vereinigten Königreiches.

„Als ganzes ist das ein hervorragendes Paket für Nordirland“, sagt ein Besitzer eines „Fish and Chips“-Shops in einem protestantischen Viertel der Stadt, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Doch hier geht es nicht um Politik, hier geht es um Grün und Orange. Da liegt das Problem.“

Wurzel des Problems: DUP ist nicht mehr stärkste Partei - Sinn Fein würde in neuer Regierung die Ansagen machen

Die Unionisten wurden im Mai 2022 zum ersten Mal nicht mehr zur stärksten Kraft gewählt. Deshalb müssten sie nun aus der schwächeren Position der Sinn-Fein-Partei gegenübersitzen. Viele vermuten das als eigentlichen Grund, warum die Partei nicht nach „Stormont” zurückkehren will.

Der britische Premier Rishi Sunak trieb den Deal mit der EU trotz der Blockade durch die DUP voran. Am 24. März besiegelten der britische Außenminister James Cleverly und EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic das überarbeitete Abkommen.

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