„Gute Fachkräfte sind ein Gewinn für Deutschland.“ Das sagt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Seit 1. März 2020 in Kraft, zielt es auf Erleichterung der Einwanderung für Fachkräften mit beruflicher nicht-akademischer Ausbildung zu Arbeitszwecken. Klappt das im Landkreis? Anke Schäflein , Geschäftsführerin des Caritasverbandes für den Landkreis Haßberge , braucht nur drei Worte: „Wir brauchen Hilfe.“
100 Fachkräfte aus dem Ausland hat die Caritas unter Vertrag
Für die Altenpflege sucht sie seit Jahren auf nationaler und internationaler Ebene qualifiziertes Personal. Dabei steht die Caritas in dem Ruf, gute Arbeitsbedingungen und ordentliche Entlohnung zu bieten. Caritas-Mitarbeiterin Angelika Schmidt nennt konkrete Zahlen: „Zurzeit beschäftigen wir fünf Fachkräfte, die aus den Philippinen zu uns gekommen sind, mit zehn weiteren Kräften aus Indonesien möchten wir in den kommenden Monaten aufstocken.“ 100 Fachkräfte aus dem Ausland hat die Caritas unter Vertrag, deren Belegschaftsanteil liegt laut Schmidt bei 15 Prozent.
Doch Beschäftigung ist eben nicht alles. Wer sich hier nicht wohl fühlt, der kann auch Angebote woanders auf der Welt annehmen. Die modernen globalen Arbeitskräfte sind flexibel und mobil – und ziehen auch wieder weg, wenn es ihnen hier nicht gefällt.
Ganztags arbeiten und in der Freizeit zum Deutschkurs
„Es sind Menschen, die zu uns kommen mit Wünschen, Sehnsüchten, Hoffnung auf ein besseres Leben.“ Sie nehmen in Kauf, dass sich der Kontakt zu Mann und Kindern für unbestimmte Zeit auf Skypen (Telefonieren mit Bildschirmkontakt) beschränkt. Schmidt: „Sie arbeiten ganztags und absolvieren in ihrer Freizeit die erforderlichen Kurse zum Erlernen der deutschen Sprache und der bei uns fachlich anerkannten Qualifikation.“ Über Monate dauert der Prozess, der grundlegende Voraussetzung dafür ist, dass die Familien nach Deutschland nachkommen dürfen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat das schon erheblich erleichtert.
Globale Arbeitsvermittler
Auf internationaler Ebene Experte ist Michael Weiß-Gehring. Der Neubrunner setzte früher als langjähriger Pflegedienstleiter in den Haßberg-Kliniken auf Teamentwicklung und richtete schon da sein Augenmerk auf die Ausbildung und das soziale Wohlbefinden von Pflegekräften aus dem Ausland. Für ihn ist die berufliche und soziale Integration absolut notwendig. Seiner Erfahrung nach sind die häufigsten Gründe, warum ausländische Pflegefachpersonen Deutschland wieder verlassen: „Heimweh und Langeweile“.
Michael Weiß-Gehring wurde ehrenamtlicher Integrationslotse dank einer dreijährigen Fortbildung durch das Landratsamt unter Leitung der hauptamtlichen Integrationslotsin Siza Zaby. Von Zaby lernte er: „Wer hier keine Wurzeln schlagen kann, wandert weiter.“ Mittlerweile ist Weiß-Gehring Geschäftsführer eines Unternehmens mit Sitz in Kirchlauter, das professionellen ausländischen Pflegekräften bei der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland hilft. Er dämpft die Erwartungen: „Deutschland ist nicht das Zielland Nummer 1!“
Andere Länder sind beliebter
Auswärtige Fachkräfte beherrschen Englisch und Französisch von Kindheit auf und gehen daher lieber in Länder wie England, Amerika, Kanada, Australien oder Frankreich. Erst über Sprachschulen mit Deutschkursen steige, sagt Michael Weiß-Gehring, das Interesse an der Einwanderung in den deutschsprachigen Raum, aktuell insbesondere von Fachkräften aus dem Mittleren Osten und Nordafrika.
In Gesundheitsberufen seien Indien und die Philippinen Länder mit hoher Abwanderung. Vor allem aus Indien erwartet Weiß-Gehring ebenfalls deutliche Zuwanderung. Für die Ausbildung hier interessieren sich immer buntere Nationalitäten. Menschen aus der Mongolei, aus Nepal, Usbekistan, Armenien, Burkina Faso, Kamerun bis Kolumbien hat Weiß-Gehring schon als Auszubildende in der Region begleitet.
Etwa die Hälfte der Handwerksbetriebe in der Region haben Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen
Die Handwerkskammer für Unterfranken gibt an, dass etwa 9000 von insgesamt rund 18.500 Handwerksbetrieben in der Region Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen. Sie sieht in dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz einen wichtigen Baustein, „weil es die Weichen für eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung beruflich qualifizierter Fachkräfte stellt.“ Nadine Hess, die stellvertretende Pressesprecherin, erklärt auf Anfrage: Personen aus Drittstaaten, die als Fachkräfte nach Deutschland zuwandern wollen, müssen ihren ausländischen Berufsabschluss formal anerkennen lassen.
Firmen fragen die Handwerkskammer
Mit dem neuen Gesetz stellt die Handwerkskammer mehr Beratungsanfragen von Firmen fest. Arbeitgeber denken mehr daran, Fachkräfte aus Drittstaaten anzuwerben. Für Anpassungsqualifizierungen können Betriebe oder Bildungsträgern unter bestimmen Voraussetzungen staatliches Fördergeld erhalten. Positiv wertet Hess, dass das Gesetz die Zuwanderung zum Zweck der Ausbildung eindeutig regelt.
Arbeitskräfte aus den unterschiedlichen Ländern bringen nicht alle dieselben Fachkenntnisse mit
Kreishandwerksmeister Hans-Georg Häfner hat Zweifel, ob das Fachkräfteeinwanderungsgesetz den Handwerksbetrieben wirklich hilft: „Ich halte das für sehr schwer“, sagt er. Beispiel Berufsqualifikation: Da ist Deutschland bei Werkzeugtechnik, Arbeitssicherheit und Materialeinsatz auf sehr hohen Niveau. Arbeitskräfte aus den unterschiedlichen Ländern bringen nicht alle dieselben Fachkenntnisse mit. Der Unterschied zeigt sich schon im Vergleich mit den direkten Nachbarländern. Weiterer Punkt: der bürokratische Aufwand und die Behördengänge: 4,5 Mitarbeiter hat laut Häfner ein Handwerksbetrieb im Landkreis im Durchschnitt, davon eine Bürokraft. „Die Kleinen können das nicht händeln.“ Dennoch ist er zuversichtlich: „Wer sein Ziel vor Augen hat, einen festen Willen und eine grundfeste Ehrlichkeit, der kann alle Hürden überwinden.“
Beeindruckende Bilanz
Von seinen 29 Facharbeitern sind zwei im Ausland geboren, ein Jugendlicher aus Syrien ging bei ihm in der Lehre. Häfner sagt mit Blick auf die Noten: „Der Auszubildende macht sich gut!“ Alle drei sind sowohl in seinem Betrieb als auch, so seine Einschätzung, in der Gesellschaft angekommen und jeder auf seine Weise fest integriert.
Der wichtigste Punkt: die Wertschätzung von Arbeit und Mensch. Weiß-Gehring und Häfner bestätigen, was Angelika Schmidt formulierte: „Wir in Deutschland müssen anerkennen, dass wir ein Einwanderungsland sind, mit dem Vorteil, Fachkräfte zu bekommen, und mit der Aufgabe, ihnen ein erfülltes Leben in Deutschland zu ermöglichen.“ Integration bedeutet für sie Wertschätzung. Und da hat, so Schmidt, unsere Gesellschaft noch viel aufzuholen.
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