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Klimawandel regional
Klimaforscher: Oberfranken erhitzt sich besonders schnell
Ein durstiger Weizenacker: Trockenheit und ausbleibender Regen gefährden das Wachstum."
Ein durstiger Weizenacker: Trockenheit und ausbleibender Regen gefährden das Wachstum. Die Weizenpflanzen scheinen unter Wassermangel zu leiden. Das erkennt man an den lückenhaften Beständen und dem trockenen Boden, der keine Feuchtigkeit erkennen lässt. In diesem Zustand benötigen die Pflanzen dringend Regen, um weiteres Wachstum und eine gute Ernte zu gewährleisten. // Marion Eckert
Bayreuth – Oberfranken hat ein Viertel weniger Regen und erwärmt sich mehr als doppelt so schnell wie der weltweite Schnitt. Warum ist das so? Das erklärt Deutschlands einziger Mikrometeorologe im Interview.

Das Frühjahr 2025 war das trockenste, das je in Oberfranken gemessen wurde.  Dafür wird der Sommer nasser. Das gleicht sich allerdings nicht aus: Denn der späte Regen reicht nicht, um den Mangel aus dem Frühjahr etwa beim Grundwasser auszugleichen. 

Prof. Christoph Thomas von der Uni Bayreuth beobachtet und analysiert den Austausch und die Wechselwirkungen zwischen Luft, Pflanzenwelt und Landoberfläche. Als einziger Professor für Mikrometeorologie Deutschlands beschäftigt er sich damit, wie schnell Partikel sich auf der Welt verteilen, wie sich Luft bewegt, wie Städte besser Wasser speichern könnten und – Überraschung! – wie sich Wasser auf dem Mars verhalten könnte.  

Dabei forscht er nicht nur in der Antarktis oder im Regenwald, sondern auch direkt vor der Haustür. Das Klima in Oberfranken beschäftigt und fasziniert ihn. Im Interview erklärt er, warum das Klima in der Region außergewöhnlich ist und wie es sich entwickeln wird. 

Christoph Thomas von der Uni Bayreuth ist Deutschlands einziger Professor für Mikrometeorologie.
Christoph Thomas von der Uni Bayreuth ist Deutschlands einziger Professor für Mikrometeorologie. // Foto: Matthias Hoch / Grafik: Nezhadbahrom

Eine wichtige Definition vorab: Was ist der Unterschied zwischen Wetter und Klima? 

Prof. Christoph Thomas: Das kann man sich mit diesem Bild sehr gut vorstellen: Nehmen wir mal an, man nimmt eine Kamera und macht ein Foto von der Luft im Raum. Das ist das Wetter, der aktuelle Zustand – so, wie es die Kamera in dem Moment einfangen würde.  Wenn wir diese Aufnahme nicht nur in diesem Moment, sondern über 30 Jahre jede Sekunde eine machen, alle Bilder hintereinander stellen und von diesen vielen tausenden Aufnahmen ein mittleres Bild erstellen: Das ist das Klima. 

Schläfst du nachts eigentlich ruhig, wenn du dir die Ergebnisse deiner Forschung so anguckst und das, was gerade um uns herum passiert? 

Wenn man sich nur auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die wir mit unseren Messungen in der Region gewinnen, fokussierte, dann müsste man unruhig schlafen. Denn Oberfranken hat sehr, sehr starke Klimawandelsignale. Das ist wirklich sehr beunruhigend, denn Oberfranken wärmt sich momentan zweieinhalbmal schneller auf als der Rest der Welt.  Andererseits muss ich natürlich sagen, ich bin auch Mensch. Und so beeindruckend oder sehr erschreckend die Zahlen auch sind, muss man auch ein bisschen Schlaf haben. Also ich schlafe trotzdem noch gut. Aber der Geist ruht selten.

Was ist denn hier klimatisch los? Warum ist das so? 

Oberfranken hat schon mal eine besondere Position, auch ohne die menschengemachte klimatische Veränderung: Es liegt an der Nahtstelle zwischen dem kühlen, gemäßigten Meeresklima und dem sehr trockenen und heißen, aber auch sehr kalten Klima des Kontinents. Und je nachdem, welche Luftmassen wir bekommen, können wir eben sehr viel Wechsel haben.

Zusätzlich ist Oberfranken auch deswegen besonders, weil es eben recht weit weg vom Meer ist und dessen mäßigenden Einfluss nicht spürt. Und dann befindet sich hier noch der zentrale Kreuzungspunkt der mitteleuropäischen Mittelgebirge. Relativ gesehen haben wir hier sehr sehr hohe Berge und Gebirgsketten, die im Fichtelgebirge zusammenlaufen.  Und das beeinflusst natürlich auch das Wettergeschehen und das Klima. 


Das heißt: Die Ausgangssituation in Oberfranken ist so, dass wir im Sommer recht warme, hohe Temperaturen haben und es im Winter recht kalt ist. 

Außerdem ist Oberfranken generell sehr trocken, wenn man das mit den weltweiten Niederschlägen vergleicht. Wir haben sowieso schon mal ein Viertel weniger [Regen] als im Schnitt der Rest der Welt. 

Was bedeutet das?

Weil wir eine trockene Ausgangslage haben und diesen Wechsel von heiß und kalt, aber auch manchmal den Niederschlag von den Meeresflächen bekommen, ist das Klima sehr extrem, das Wetter sehr variabel.  Und auf diese Situation hinauf prägt sich noch der menschengemachte Klimawandel auf. Der führt in Oberfranken dazu, dass die Temperaturen sehr stark nach oben schnellen. Wir erwärmen uns hier mit 4,4 Grad pro hundert Jahre, das haben wir in den letzten 60 Jahren in Oberfranken gemessen. Im weltweiten Schnitt liegen wir aber nur bei 1,8 Grad Erwärmung pro hundert Jahre. Wir sehen: zweieinhalbmal schneller aufgrund dieser naturräumlichen Voraussetzungen.

Und: Wir hatten das trockenste Frühjahr, was jemals seit Aufzeichnungsbeginn in Oberfranken gemessen wurde.  Wir sehen, dass das Frühjahr sehr, sehr trocken wird, wohingegen sich die Sommermonate, also Juli, August, September,  auffeuchten. Es gibt eine Verschiebung des Niederschlags von den Winter- in die Sommermonate. 

Der Niederschlag, der im Sommer fällt, ist für Pflanzen, für Tiere und auch für die Grundwasserneubildung nicht so wirksam. Er kann schlechter neues Grundwasser bilden als im Winter, wo es kühler ist, wo weniger verdunstet und wo Regen fällt. 

Es gibt ja Menschen, die Extremwetter-Ereignisse wie Dürre und Hochwasser wahrnehmen und mit einem Schulterzucken sagen: „Das hat es ja schon immer gegeben.“ Was geht dir durch den Kopf, wenn du solche Aussagen hörst? 

Man darf seine Augen nicht mehr verschließen. Der Klimawandel ist Konsens unter seriösen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Wir müssen, denke ich, unseren Beitrag leisten. Und da gehört es dazu, Zahlen zu porträtieren, anschauliche Beispiele zu geben, so dass man sich auch was drunter vorstellen kann. Es geht auch darum, dass diese Information richtig transportiert wird und man auch zuhört.

Ich erlebe immer wieder Menschen, die sagen: „Ja, aber Deutschland ist ja so klein. Was sollen wir denn ausrichten können oder warum sollen wir in Oberfranken denn was machen? Sollen die in Berlin doch was machen oder die in den USA oder in China.“ 
  
Die Atmosphäre kennt keine Grenzen, die Luft macht nicht Halt, weil die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland überschritten wird. Und rein historisch gesehen hat Deutschland einen überproportionalen hohen Beitrag an der Erhöhung der Treibhausgas-Konzentration geleistet. Im Vergleich zur Fläche ist Deutschland durch die sehr starke Industrieproduktion besonders, sagen wir mal, schuldig. 

Außerdem sollten wir daran denken, dass unser Konsum – sei es, was wir an Klamotten kaufen, was wir an elektronischen Medien kaufen, sei es, was wir uns sonstwie leisten – etwa ein Drittel, 28 Prozent, des gesamten CO2-Ausstoßes pro Kopf ausmacht. Und was wir hier in Deutschland konsumieren, wird oftmals nicht bei uns produziert, sondern in China. 

Bei „Konsum“ reden wir noch nicht von Lebensmitteln, sondern von Kleidung, Elektronik, Spielsachen, Möbeln?

Vollkommen richtig. Stellt man es sich als Kuchen vor, macht die Ernährung 15% aus. Der Konsum ist in etwa ein doppelt so großes Kuchenstück.  

Stell dir vor, du dürftest an die Politikerinnen und Politiker, die wirklich die Macht über solche Entscheidungen haben, eine Aufgabenliste schreiben, was sie tun müssten, um Klimaanpassung und Klimaschutz auf das Niveau zu bringen, das wirklich helfen würde. Geld spielt keine Rolle. Was würde auf deiner Liste stehen? 

Ganz klar weg vom Individualverkehr. Etwa ein Fünftel der gesamten Emissionen geht auf Mobilität zurück. Elektroautos sind sicherlich besser von ihrer Bilanz her, aber wir sollten weg von diesen individuellen Lösungen hin zu mehr öffentlich genutztem Verkehr. 

Energieerzeugung. Ich denke, wir sind da momentan schon auf dem richtigen Weg, in Richtung Photovoltaik und Windenergie zu gehen. In Bayern gab es lange kein offizielles, aber ein faktisches Moratorium, dass Windenergie nicht ausgebaut werden konnte.  Da müssen wir sehr stark investieren. Und wir müssen schauen, wo die Windenergie ist, nämlich vor allem im Norden von Deutschland, kaum in Bayern. Deswegen macht es auch Sinn, den Windstrom nach Bayern zu transportieren. 

Was den Wohnbereich anbelangt, müssen wir aktuelle Heizsysteme und Dämmung effizienter machen.  

Und wir brauchen eine Ernährungsumstellung in Richtung regionale Produkte, weniger fleischlastiger Konsum und mehr vegetarische Nahrung.  Also da gibt es eben viele Stellschrauben, an denen wir arbeiten können. 

Und das hat manchmal was mit gesetzlichen Vorgaben zu tun, weil dann Anreize geschaffen werden. Aber wir müssen auch appellieren, selber das individuelle Verhalten zu verändern.

Das ganze Gespräch mit Christoph Thomas gibt es als Podcast in der Reihe "Fränkischer Talk" überall, wo es gute Podcasts gibt, oder direkt hier: 

Mehr über Dürre und Trockenheit in Franken erfahren Sie auf unserer Themenseite: Hier geht es zu allen Artikeln zum Thema.

Podcast "Fränkischer Talk"

Weitere Folgen des Podcasts "Fränkischer Talk" hören Sie kostenlos ebenfalls auf allen Plattformen. Hier eine kleine Auswahl:

 

 

 

 

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