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Zu Besuch bei der Probe
„Der fränkische Jedermann“: Mögen die Spiele beginnen!
Zu Besuch bei der Probe von  „Der fränkische Jedermann“ in Forchheim.Forchheim & Fränkische Schweiz
Zu Besuch bei der Probe von „Der fränkische Jedermann“ in Forchheim. // Liliana Wopkes
Forchheim – Der Countdown läuft, „Der fränkische Jedermann“ hat für die letzten Proben vor der Premiere Einzug in die Kaiserpfalz gehalten. Das Stück verspricht, ein Fest für die Sinne zu werden.

Mit einer Premiere ist es wie mit Weihnachten – immer steht sie plötzlich vor der Tür. Das Casting und die unzähligen Probentage des vergangenen Jahres – zu einem Hauch zusammengeschrumpft. Die Proben für das Großprojekt „Der fränkische Jedermann“ des Jungen Theaters Forchheim sind gezählt. Das Ensemble, bestehend aus über 40 Mitgliedern, probt inzwischen nicht mehr im Theater, sondern auf der hierfür vorgesehenen Bühne, im Innenhof der Kaiserpfalz. Alle angesetzten Aufführungen sind bereits seit Wochen ausverkauft.

Angespannt ist hier die Atmosphäre dennoch nicht. Wahrnehmbar ist eher eine konzentrierte Gelassenheit. Dafür verantwortlich ist vor allem jener Mann, der alle Fäden in der Hand hält, der Regisseur Martin Borowski. Denn mit dem Spielleiter kann nicht nur ein Stück stehen oder fallen, sondern auch die Stimmung im Ensemble. Borowski arbeitet freundlich, ruhig und konzentriert.

Zu Besuch bei der Probe von  „Der fränkische Jedermann“ in Forchheim.Forchheim & Fränkische Schweiz
Eine Kindergruppe zieht die Kutsche. // Liliana Wopkes

Proben in der Kaiserpfalz

Es ist ein kühler Spätnachmittag. Das Tor zur Kaiserpfalz wird von einer Kutsche blockiert, die unter Anleitung des Regisseurs von einer Kindergruppe in den Innenhof gezogen wird. Die Kinder schnappen sich die Deichsel und ziehen die Kutsche erstaunlich mühelos über eine nicht sehr steile Rampe auf den frisch verlegten Bretterboden des Hofes. Auf dem Weg zurück sitzt Martin Borowski im Wagen. Vielleicht fühlt er sich auf der Rampe etwas unwohl. Bis auf einige winzige Momente strahlt er jedoch Zuversicht aus.

In der linken Nische, unmittelbar hinter dem Tor, stellt die Band ihre Instrumente auf. Borowski hat Musik und Lieder in die Handlung des Stückes eingebaut und die musikalische Leitung René Kraus übertragen, alias DerEnte; dem „kleinen wirren verrückten Bühnenkünstler, Liedermacher und Chaosmusiker aus Forchheim“, wie es auf dessen Homepage vergnügt schwurbelig heißt. In Borowskis Auftrag hat der Künstler eine Band für dieses Stück zusammengestellt.

„Der fränkische Jedermann“Forchheim & Fränkische Schweiz
Die Proben für „Der fränkische Jedermann“ sind in den letzten Zügen. // Liliana Wopkes

Allmählich füllt sich der Innenhof. Die Stühle für alle, die nicht gerade spielen, sind in etwa dort aufgestellt, wo auch während der Aufführungen die Zuschauer sitzen werden. Der Regisseur hat das in der Kaiserpfalz gängige Verfahren umgedreht: Gespielt wird vor dem Eingangstor, ebenerdig. Das Publikum wird von einer Tribüne aus dem hinteren Teil des Hofes zusehen. Das Tor ist somit Teil der Kulisse.

Interessante Rollen für die Darsteller

Auf einem Stuhl sitzt Frieda Schmitt und geht noch einmal ihren Text durch. Die junge Frau spielt den Mammon, zumindest einen von dreien. Denn Borowski hat auch hier gegen den Strich gebürstet und die Rolle des – ursprünglich einen – Mammons auf drei selbstbewusste junge Frauen verteilt. Wie findet sie ihre Rolle? „Sehr interessant – ich hatte noch nie so eine gemeine, ein bisschen laszive Rolle.“

Zu Besuch bei der Probe von  „Der fränkische Jedermann“ in Forchheim.Forchheim & Fränkische Schweiz
Das Stück enthält auch musikalische Elemente. // Liliana Wopkes

Ist es eine Herausforderung, dieses Böse zu spielen? „Auf jeden Fall, aber positiv“, so Schmitt. „Mann kann dabei etwas herauslassen, was man sonst nicht rauslassen kann – eher gemeine Wutgefühle.“ Später, während der Probe, zeigt Schmitt eindrucksvoll, was sie meint und was sie kann. Der freundlichen Frau kauft man als Mammon den toxischen Wirbel aus Wut, Hohn und Herablassung sofort ab.

Ziemlich feministisch sei die Rolle obendrein, findet Frieda Schmitt. Warum? „Weil wir drei Frauen gegen den Jedermann sind.“ Gegen die Verkörperung eines Mannes also, der gesellschaftlich negativ besetzt ist.

Zu Besuch bei der Probe von  „Der fränkische Jedermann“ in Forchheim.Forchheim & Fränkische Schweiz
Wer Tickets für die begehrten Aufführungen ergattert hat, kann sich freuen. // Liliana Wopkes

Einmal mehr zeigt sich hier Borowskis Gespür für Rollenbesetzungen. So auch bei Tamara Buchfelder, dem zweiten Mammon. Die junge Frau sieht entspannt durchsetzungsfähig aus. Wie sieht sie ihre Rolle? „Sie drückt sehr viel Macht aus, weil der Jedermann komplett von seinem Geld und seinem Reichtum gefangen ist“, findet Buchfelder. Und, dass dieser Mammon von drei Frauen gespielt wird, wertet sie als „ein schönes“ Ungleichgewicht.

Profi und Laien arbeiten gut zusammen

Ebenfalls richtig lag Borowski mit seiner Entscheidung, die Hauptrolle mit dem Profi Benjamin Bochmann zu besetzen. Der Schauspieler gibt einen großartigen Jedermann. Gleichzeitig fungiert er als stabilisierendes Zentrum für das Ensemble. Was aber nicht bedeuten soll, dass Bochmann das Stück alleine trägt.

Zu Besuch bei der Probe von  „Der fränkische Jedermann“ in Forchheim.Forchheim & Fränkische Schweiz
Bei der Probe zu „Der fränkische Jedermann“ in Forchheim // Liliana Wopkes

Die Laiendarsteller schaffen Momente, die es verdienen würden, in Wiederholung noch einmal gesehen zu werden. Wie Rüdiger Freund – seine Darstellung des Teufels ist beachtenswert. Oder Beate Postler als Mutter; sie agiert in dem Streitgespräch zwischen Mutter und Sohn auf Augenhöhe mit Bochmann, und das mag was heißen.

Die Leistung der Schauspieler geht Hand in Hand mit der starken und doch angenehm unprätentiösen Inszenierung. In der Szene zwischen Mutter und Sohn Jedermann ist auch „eine Bekannte“ der Mutter dabei, gespielt von Hedwig Neubert. Borowski hat die Szene so komponiert, dass sie durch Neubert reizvoll wird, ohne die nötige Ernsthaftigkeit zu verlieren. Oder beim dreiteiligen Mammon: Wie eine Naturgewalt lässt der Regisseur die Frauen Jedermann zusetzen, wodurch ein starkes Bild für den Zusammenbruch einer Scheinwelt entsteht.

Martin Borowski und seinem Ensemble bei den Proben zuzusehen, ist ein Vergnügen. Der einzige, der hier ausschließlich das tut, was er will, ist der Wettergott.  

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