Beim Sortieren meines Bücherschrankes ist mir neulich ein Buch in die Hände gefallen, mit dem viele Erinnerungen an die ersten Jahre meiner Schulzeit verbunden sind. Zunächst kam mir dabei die Schuleinführung am 2. September 1955 in den Sinn, die vom Lehrerkollegium und Schulchor der Volksschule „Heubischer Straße“ wunderschön ausgestaltet wurde.
Damals öffnete sich für 200 Jungen und Mädchen die Schultüre. Die Kinder von damals könnten in diesem Jahr den 60. Tag ihrer Schulentlassung feiern. Denn nach der Einschulung im Jahr 1955 war normalerweise nach acht Jahren Volksschulzeit, also 1963, die Schulentlassung. Nur die Realschüler und die Gymnasiasten haben die Schulbank länger drücken müssen.
Am Eingang der alten Jugendstilturnhalle neben der Volksschule an der Heubischer Straße
Die Schuleinführung war damals sehr feierlich. Da stand ich, ziemlich aufgeregt und mit einer großen Zuckertüte in den Händen, mit meiner Mutter am Eingang der alten Jugendstilturnhalle neben der Volksschule an der Heubischer Straße, die vor vielen Jahren abgerissen und durch einen Neubau ersetzt worden ist. Hier hing ein bunter Kranz mit der Aufschrift: „Herzlich Willkommen!“
In der völlig überfüllten Schulturnhalle wünschte der damalige Rektor Walter Gose der erwartungsvoll dasitzenden Kinderschar zum Einzug in die Schule viel Glück und Gottes Segen. In seiner Rede streifte er die wichtigsten Etappen auf dem bisherigen Lebensweg der Sechsjährigen und erinnerte die Eltern daran, dass die Volksschule in erster Linie Erziehungsschule sein wolle. „Das Ziel, aus all den jetzt in die Schule eintretenden Jungen und Mädchen gute Menschen werden zu lassen, sollten wir, Eltern und Lehrer, gemeinsam anstreben“, sagte Rektor Walter Gose.
Der Schülerchor von Oberlehrer Carl Gramß sang
Anschließend war Oberlehrer Carl Gramß mit seinem Schülerchor an der Reihe. Sie sangen abwechselnd Lieder und Kanons und sagten Gedichte auf. Dann spitzten wir Kinder unsere Ohren, als der Schülerchor, begleitet von einer Instrumentalgruppe des Lehrerkollegiums, einen von Oberlehrer Carl Gramß selbst gedichteten Text sang.
Dann wurde die Schulanfänger auf die einzelnen Klassen und Lehrer aufgeteilt. Die Würfel waren gefallen! Jetzt konnte man an der Hand der Eltern das Klassenzimmer beschnuppern, das ja für die nächsten zwei Jahre die zweite Heimat werden sollte. „Jetzt gett’s aus an annon Fassla“, hörte man dann in den folgenden Wochen von der Verwandtschaft immer wieder sagen.
An den ersten Schultagen erhielten wir Schüler unser erstes Schulbuch. Der Titel lautete: „Mein erstes Buch zum Anschauen, Zeichnen, Lesen und Schreiben“ von Hans Brückl“, 7. Auflage 1955. Es war ein wunderbares Buch, in dem die unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten, die wichtigsten kirchlichen Feiertage, die Tier- und Pflanzenwelt, Geschichten, Sprüche und Verse, die Bräuche und vieles andere mehr in Wort und Bild anschaulich dargestellt waren, kindgerecht eben!
Ganz wunderbar sind darin die Illustrationen gestaltet, immer treffend zu den Texten, Versen und Geschichten. Natürlich war im Buch ein Teil auch dem Übergang von der Druckschrift zur Schreibschrift gewidmet und es gab Unterrichtshinweise an die Eltern und Lehrer.
Das allererste Schulbuch musste nach der 2. Klasse wieder an die Schule zurückgegeben werden
Dieses Buch mussten wir Schüler nach der zweiten Klasse wieder an die Schule zurückgeben. Nur gegen Bezahlung konnte man es behalten. Die wenigsten Eltern aber konnten damals das Geld dafür aufbringen. Und so war ich voller Freude, als ich „Mein erstes Buch“ vor einigen Jahren an einem Flohmarktstand sah und für zehn Euro, mit deutlichen Gebrauchsspuren allerdings, erstehen konnte. Beim Durchblättern und Lesen kam es mir so vor, als ob die Schuleinführung gestern gewesen wäre.
Gedankenversunken dachte ich an die über 30 Klassenkameradinnen und -kameraden und an unseren Klassenlehrer Günther Bretschneider, der mit uns viel unternommen und uns nicht nur grundlegendes Wissen, sondern auch wichtige Tugenden für unser späteres Leben vermittelt hatte.
Und diese schönen Erinnerungen sind auch 68 Jahre nach der Schuleinführung im Jahr 1955 noch vorhanden.
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