An den Gerichten im Freistaat steht im neuen Jahr eine Reihe bedeutender Verfahren an. So beginnt etwa der Prozess um den Mord an einem 15-Jährigen im Juni des vergangenen Jahres im Fränkischen Seenland. In München kommt der mutmaßliche Täter des tödlichen Auto-Anschlags auf eine Demonstration vor Gericht. Zudem stehen Entscheidungen im Wirecard-Prozess und zur Klage gegen den Pharmakonzern Astrazeneca an - ein Überblick:
Anschlag auf Münchner Verdi-Demo
Am 16. Januar beginnt der Prozess nach dem Auto-Anschlag auf eine Verdi-Demonstration in München mit zwei Toten. Der Angeklagte soll sein Auto am 13. Februar 2025 in der Münchner Innenstadt gezielt in eine Veranstaltung der Gewerkschaft gelenkt haben. Dabei wurden die 37-jährige Amel, eine Mitarbeiterin der Stadt, und ihre zweijährige Tochter Hafsa so schwer verletzt, dass sie wenig später im Krankenhaus starben. 44 weitere Menschen trugen zum Teil lebensgefährliche oder schwere Verletzungen davon.
Dem zur Tatzeit 24 Jahre alten Afghanen werden unter anderem zweifacher Mord, versuchter Mord in 44 Fällen sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Nach Erkenntnissen der Ermittler beging der Angeklagte die Tat «aus einer übersteigerten religiösen Motivation» heraus. Es sind 38 Termine bis zum 25. Juni anberaumt.
AfD-Politiker Halemba
Der umstrittene AfD-Politiker Daniel Halemba steht vom 7. Januar an vor dem Amtsgericht Würzburg. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 24-Jährigen Volksverhetzung, Geldwäsche, Sachbeschädigung, Nötigung und versuchte Nötigung vor. Acht Verhandlungstage sind terminiert. Auf Halembas Geburtstagsfeier im Juli 2022 sei unter anderem das Lied «Wacht an der Spree» der Band Landser abgespielt worden, die als kriminelle Vereinigung eingestuft ist. In dem Text wird laut Anklagebehörde zum Hass gegen die in Deutschland lebende türkische Bevölkerung angestachelt.
Halemba argumentiert, er sei zur fraglichen Zeit bei der Feier überhaupt nicht anwesend gewesen. Der Politiker weist diesen und die anderen Vorwürfe zurück. Er geht nach eigenen Worten davon aus, dass es zu einem Freispruch kommt.
Audi-Dieselskandal
Im Februar beginnt der zweite Strafprozess zum Audi-Dieselskandal. Dann sollen sich vier ehemalige Mitarbeiter, darunter zwei frühere Vorstände, vor dem Landgericht München II verantworten. Ihnen wird unter anderem Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung vorgeworfen. Das Verfahren könnte - wie bereits der erste Audi-Prozess - lange dauern. Beginnend mit dem 2. Februar sind bereits 50 Verhandlungstage angesetzt. Vorsitzender Richter wird Andreas Bayer sein. Der erste Audi-Prozess hatte sich über mehr als 170 Tage gezogen. Am Ende wurden die dort angeklagten ehemaligen Audi-Mitarbeiter - darunter Ex-Chef Rupert Stadler - zu Bewährungsstrafen verurteilt. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Messerangriff von Mellrichstadt
Der Prozess gegen den mutmaßlichen Messerstecher von Mellrichstadt beginnt am 16. März. Der 22-Jährige soll im Juli 2025 auf eine Kollegin eingestochen haben. Die 59-Jährige starb. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten Mord vor, begangen aus Mordlust sowie heimtückisch. Zunächst hatten die Ermittler angenommen, dass der 22-Jährige bei dem Angriff schuldunfähig gewesen sein könnte - dafür sieht ein Sachverständiger allerdings keine Hinweise. Der 22-Jährige hat die Vorwürfe laut Staatsanwaltschaft eingeräumt und angegeben, «einen inneren Drang zur Tötung eines Menschen verspürt zu haben». Das Landgericht Schweinfurt hat sechs Verhandlungstermine bis zum 14. April bestimmt.
Zwei Tote bei Feiern an einem Tag
Am 23. März 2025 starben gleich zwei Menschen bei Feiern in Bayern. Gegen die mutmaßlichen Täter beginnt im Januar jeweils ein Mordprozess am Nürnberger Landgericht. Einem 43-jährigen Syrer wirft die Staatsanwaltschaft vor, in Parsberg (Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz) anlässlich eines kurdischen Kulturfestes mit einem Cousin in Streit geraten zu sein. Dabei soll er seinen 39 Jahre alten Angehörigen mit einem Messer tödlich verletzt haben.
Motiv für die Tat ist laut Staatsanwaltschaft Rache für den gewaltsamen Tod der Schwester des Angeklagten vor rund 20 Jahren. Der 43-Jährige soll demnach seinen syrischen Cousin dafür verantwortlich gemacht haben. Der Mordprozess beginnt am 9. Januar, ein Urteil könnte Ende Februar 2026 verkündet werden.
In Fürth soll ein 27-Jähriger auf einer Hochzeitsfeier - ebenfalls am 23. März - einen 47-Jährigen gezielt mit mehreren Schüssen in den Oberkörper getötet haben. Das Motiv soll ein Streit um Geldforderungen für den Unterhalt von Kindern gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Franzosen Mord vor. Prozessbeginn ist am 21. Januar - ein Urteil könnte Ende März fallen.
Entscheidung über Klage gegen Astrazeneca
Im Prozess um die Klage einer Frau aus Oberfranken gegen den Impfstoffhersteller Astrazeneca wegen eines mutmaßlichen Impfschadens wird am 26. Januar das Urteil erwartet. Die mittlerweile 35 Jahre alte Frau aus Hof fordert von dem Pharmakonzern vor dem Oberlandesgericht Bamberg mindestens 250.000 Euro Schmerzensgeld, 17.200 Euro für einen Verdienstausfall und bis zu 600.000 Euro für künftige Beeinträchtigungen.
Sie hatte sich im März 2021 mit dem Covid-19-Vakzin «Vaxzevria» von Astrazeneca impfen lassen und danach eine Darmvenenthrombose erlitten. Sie fiel in ein Koma und verlor einen Teil ihres Darms. Der Anwalt der Frau sieht dies als Impfschaden und eine mögliche Nebenwirkung des Impfstoffs. Das Landgericht Hof hatte die Klage der Frau im Januar 2023 in erster Instanz abgewiesen, da es weder einen Produktfehler noch einen Informationsfehler im Zusammenhang mit dem Impfstoff feststellte. Dagegen legte die Frau Berufung ein.
Cold Case Sabine
Mehr als 32 Jahre nach dem gewaltsamen Tod der 13-jährigen Sabine in Unterfranken wird der Fall vermutlich 2026 erneut vor Gericht verhandelt. Der Bundesgerichtshof hob das im Dezember 2024 gefallene Mordurteil des Landgerichts Würzburg auf. Nun muss sich eine andere Kammer erneut mit der Sache befassen. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der Angeklagte, der zur Tatzeit 17 Jahre alt war, das Mädchen am 15. Dezember 1993 auf einem abgelegenen Reiterhof in Karlstadt-Wiesenfeld (Landkreis Main-Spessart) sexuell missbrauchte, tötete und in eine Güllegrube warf. Der 49-Jährige war zu sechseinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden, ging aber in Revision.
Wirecard
In der ersten Jahreshälfte wird voraussichtlich nach über drei Jahren der im Dezember 2022 eröffnete Wirecard-Prozess enden. Dann wird die IV. Kammer des Landgerichts München I das Urteil über den früheren Wirecard-Vorstandschef Markus Braun und seine beiden Mitangeklagten sprechen, die wegen Bandenbetrugs, Untreue und weiterer Vorwürfe angeklagt sind. Der einstige Dax-Konzern war im Juni 2020 kollabiert, weil in der Bilanz verbuchte Treuhandguthaben in Höhe von 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar waren.
Laut Anklage sollen Braun und Komplizen die Bilanzen gefälscht haben, um den eigentlich defizitären Konzern mit Hilfe von Bankkrediten über Wasser zu halten. Der seit knapp fünfeinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzende Braun weist seit Prozessbeginn jede Verantwortung zurück und sieht sich selbst als unschuldiges Opfer einer Bande um den abgetauchten früheren Vertriebsvorstand Jan Marsalek. Die Richter haben jedoch mehrfach deutlich gemacht, dass sie dieser Darstellung nicht glauben.
Tötungsdelikt im Fränkischen Seenland
Ab dem 22. Januar beschäftigt sich das Landgericht Ansbach mit dem mutmaßlichen Mord an einem 15-Jährigen im Pleinfelder Ortsteil Ramsberg am Brombachsee. Eine zum Tatzeitpunkt 19-Jährige steht im Verdacht, den Jugendlichen im Juni 2025 an einer Bushaltestelle mit der Faust geschlagen und mit einem Taschenmesser tödlich am Hals verletzt zu haben. Der Jugendliche starb noch vor Ort.
Dem Angriff war ein Streit vorausgegangen, bei dem sich die Deutsche dem Opfer gegenüber höchstwahrscheinlich rassistisch geäußert haben soll, wie es von der Staatsanwaltschaft heißt. Das Opfer habe die deutsche und die brasilianische Staatsangehörigkeit. «Dass Ausländerfeindlichkeit tragendes Motiv der Tat war, haben die Ermittlungen nicht ergeben», teilte die Behörde mit. Das Landgericht hat zunächst bis Anfang März insgesamt sechs Verhandlungstermine angesetzt.
Justizfall Joachim Wolbergs
Der ehemalige Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs steht voraussichtlich ab dem Frühjahr erneut vor Gericht. In dem Verfahren am Landgericht München I geht es um die teilweise Neuverhandlung des Parteispenden-Prozesses vor dem Landgericht Regensburg 2018/19. Hintergrund war der Kommunalwahlkampf von Wolbergs im Jahr 2014. In dem Regensburger Prozess war Wolbergs wegen zwei Fällen der Vorteilsnahme verurteilt worden, blieb aber straffrei. Von weiteren Vorwürfen war er freigesprochen worden. Dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof im November 2021 in Teilen auf, beanstandete es als zu milde und verwies es zur Neuverhandlung an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I.
Cold Case Maria
Mehr als 41 Jahre nach dem gewaltsamen Tod einer angehenden Krankenschwester in Unterfranken könnte es im neuen Jahr endlich einen Prozess in der Sache geben. Zwar liegt noch keine Anklage vor, aber die Ermittler haben einen Verdächtigen, der in Untersuchungshaft sitzt und die Tat gestanden hat. DNA an der mutmaßlichen Tatwaffe stammt laut Staatsanwaltschaft Aschaffenburg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von dem Mann, der früher mit dem Opfer liiert war.
Die 19-jährige Maria war am 30. Juli 1984 mit einem Schal in einem Wohnheim für angehende Krankenschwestern in Aschaffenburg stranguliert worden. Seit der Tat geht die Polizei davon aus, dass der damalige Ex-Freund der jungen Frau der Täter ist. Der heute 66-Jährige war nach seiner Festnahme in der Türkei im September 2025 nach Deutschland überstellt worden war.
Erneuter Prozess im Allgäuer Tierschutzskandal
In Memmingen beginnt am 20. Januar eines der zentralen Verfahren im sogenannten Allgäuer Tierschutzskandal. Angeklagt sind zwei Landwirte und zwei Angestellte eines Hofes aus Bad Grönenbach. Ihnen wird vorgeworfen, bei 58 kranken Rindern nicht dafür gesorgt zu haben, dass diese von einem Tierarzt behandelt oder notgetötet werden, wenn eine Behandlung aussichtslos wäre. Das Verfahren wurde bereits im Oktober 2023 erstmals gestartet, zunächst noch mit sechs Angeklagten. Damals legten zwei Angestellte des Milchviehbetriebs Geständnisse ab und wurden zu Geldstrafen verurteilt. Gegen die übrigen vier Beschuldigten wurde das Verfahren ausgesetzt, so dass es nun zu einer Neuauflage kommt.













