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Serie: Lebenswege
Die Coburger Geschichten-Erzählerin
Glücklich angekommen: Peggy Hoffmann als Leiterin des Theaters am Hexenturm.
Glücklich angekommen: Peggy Hoffmann als Leiterin des Theaters am Hexenturm. // Val Thomer
Geschichten zum Glück
Coburg – Von der Finanzmanagerin zur Theatermacherin: Wie Peggy Hoffmann übers Geschichten-Erzählen zu sich selbst fand.

„Ganz tief innendrin bin ich eigentlich eine sehr sensible, soziale Elefantin. Ich bin unglaublich gut darin, in ausweglosen Situationen Ruhe zu bewahren, bei mir zu bleiben und Wege zu finden.“ Mit diesen beiden Sätzen charakterisiert sich Peggy Hoffmann selbst. Diese Erkenntnis hat sicherlich einige Jahre gedauert. Aber Erfahrungen machen Menschen, und die 55-Jährige hat jede Menge davon – gute und schlechte.

Die Coburger Geschichten-Erzählerin, geschulte Stimmbildnerin und Leiterin des Theaters am Hexenturm verbringt den Großteil ihrer Zeit mit tiefenentspannten, glücklichen Lernen, wie sie sagt. Peggy Hoffmann ist angekommen – mitten in ihrem Lebenstraum.

Finanzkarriere ade

1997 blies Peggy Hoffmann ihre Finanzanalystin-Karriere in München in den Wind. „Mir wurde bewusst, dass ich das ganze Geld, das ich verdiente, in die Betreuung und Versorgung meines Sohnes stecken musste, mir aber kaum Zeit für ihn blieb“, sagt die Frau, die von der Welt der Zahlen schon immer fasziniert war, einen eigenen Dienstwagen fuhr und einen der ersten Laptops (1992) in München besaß. „Da lief was falsch, so wollte ich nicht weitermachen.“

Auf Wanderschaft

Drei Jahre auf Wanderschaft – ihre alte Berufung „Theatermachen“ wiederentdeckend - fand sie die Geheimnisse, „wie frau den richtigen Ton findet, um bei man anzukommen“, und welches Geschichten-Gewand die Wahrheit benötigt, um bleibende Eindrücke beim Lesenden und Lauschenden zu hinterlassen.

Als Hamburgerin ist sie über Lorient, Nancy, München, London, Bamberg mittlerweile in Coburg mit Freuden heimisch geworden. Das Wissen und die Erfahrungen gibt sie freifröhlich weiter in kleinen anregenden Vortrags-Appetithappen, Webinar-GourmetHauptspeisen und Video-on-demand Abrundungen.

Die Kraft der Stimme

Seit 1998 hat sie nach und nach bei den Besten des Theater-Fachs gelernt: Improtheater bei Keith Johnstone , Objekttheater bei Cristian Carrignon, Erzähltheater bei Margrit Gysin. Mit elf eigenen Theaterproduktionen und 23 Jahren Bühnenerfahrung kann sie aus dem Nähkästchen berichten, wohin die eigene Stimme tragen kann. „Ich wünschte mir, dass jede und jeder sein Stimmpotenzial volle Kanne lebt, da wir dann eine friedvollere Welt hätten.“ Davon ist sie überzeugt und brennt für ihre Idee, Menschen mit der Kraft ihrer eigenen Stimme zu stärken.

So hat sie im vergangenen Jahr ein neues Format ins Leben gerufen: „Neu-Gestimmt“ heißt das Online-Angebot, in dem sie individuelle Tipps für die optimale Stimmwirkung gibt. „Das läuft gut und hält mich grad über Wasser“, gibt sie offen zu.

Ungebrochen ist ihre Leidenschaft für die Kleinkunst. Mit dem Theater am Hexenturm hat sie eine Bühne geschaffen, auf der Lesungen, Soloschauspiele, Storytelling, „Musikino“ und Liederabende von heimischen Songwritern stattfinden. „Viele wissen gar nicht, was für ein Potenzial in den Menschen hier schlummert“, sagt sie.

Rückschlag wegen Corona

Aber auch an ihr ist Corona nicht spurlos vorüber gegangen. „Nach dem ersten Lockdown lief es wieder gut an, erzählt sie, doch jetzt nach dem zweiten und dritten, blieben die Türen erst mal geschlossen. Vor allem das ältere Publikum plage die Angst vor Ansteckung. Im November soll es wieder losgehen. Immer im Programm: Coburgs Kronjuwelen. Als Waschfrau Suse gewandet, erzählt und spielt Peggy Hoffmann leutselig und kurzweilig über die Coburger Promis der letzten vier Jahrhunderte (Friedrich Rückert, Martin Luther oder Prinz Albert).

„Kultur ist für uns Künstler mehr als nur Publikum und Bühne, es ist der Dialog des Mit- und Füreinanders, das Leben mit all seinen Möglichkeiten zu genießen im Zurücklehnen beim Lauschen neuer Melodien, inspirierender Geschichten, im Erleben heiterer und besinnender Begebenheiten sowie überraschender, schöner Momente“, macht die Theaterfrau immer wieder deutlich. Deshalb ist für sie auch der Ort für Kunst variabel. Wege müssten sich ändern. „Wir brauchen dringend Bühnen, da wo die Menschen sind. Ich wünschte mir, dass Theater, Konzerte, kulturelle Erlebnisse in Betrieben, in Läden, stattfänden als feste etablierte Alternative zu großen Theaterhäusern.“

Peggy Hoffmann sprüht nur so vor Ideen. So kann sie sich vorstellen, dass Gitarrenspieler in Stadtbussen sitzen und die Fahrgäste unterhalten oder eine Kulturbank im Hofgarten aufgestellt wird, auf der Kleinkünstler zu festen Zeiten ihr Bestes geben – mit Hut und für jedermann/frau.

Endlich auch Glück in der Liebe

Bei so viel Kreativität – bleibt da überhaupt noch Raum für Privates? Und ob. Peggy Hoffmann lacht. Sie strahlt regelrecht. Denn zur Verwirklichung ihres Lebenstraumes gehört auch der neue Traummann an ihrer Seite. Dann wird sie ernst. „Ich hatte bis zum 50. Lebensjahr nicht wirklich viel Glück mit Ehemännern. Ich hab von Alkoholabhängigkeit über Ehebetrug bis hin zur häuslicher Gewalt alles mitgenommen. So war ich mit 50 glückliche Singlefrau und wollte es bis zum Rest meiner Tage bleiben.“

Aber dann kam es anders. Sie hat Winfried kennengelernt: bodenständig, kommunikativ, offen, reflektiert, hilfsbereit und liebevoll, wie sie ihn beschreibt. Erst lief alles übers Internet, dann – nach einem zweieinhalbstündigen Spaziergang um die Veste – war alles klar.

Nichts dem Zufall überlassen

„Ich hab all die Dinge abgefragt, mit denen ich zuvor schlechte Erfahrungen gemacht habe: Hast Du jemals Deine Frau betrogen? Trinkst Du Alkohol? Stell Dir vor, wir wären zusammen, da kommt eine Gruppe von Männern auf mich zu und bedroht mich, was tust Du? All solche Fragen (waren echt viele) – und er hat … bestanden.“ Wieder lacht sie. Danach sei alles recht schnell gegangen: „Wir haben geheiratet. Er hat meinen Nachnamen angenommen, und wir sind zwei selbstständige Menschen, die sich wunderbar ergänzen in großer bedingungsloser Liebe zueinander“, schwärmt sie noch als er zur Tür herein kommt. „Hab ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe?“, empfängt sie ihn. Und er antwortet: „Ja, aber das ist schon wieder zwei Stunden her.“

Highlights

6. November – Coburgs Kronjuwelen – das – Historien -Schauspiel

18 bis 19.15 Uhr, 15 Euro

Als Waschfrau Suse gewandet, erzählt und spielt Peggy Hoffmann leutselig und kurzweilig über die Coburger Promis der letzten vier Jahrhunderte

25. November – Wort-Stube live – online – klirrende Weihnachtsgeschichten – alles andere als rührselig, dafür aber glücksselig

20 bis 21 Uhr - kostenlos

4. und 5. Dezember – MUSIKINO & AMERICAN XMAS

19 bis 20.15 Uhr, 15 Euro

Klaus Wunderer & Paul Lentner „The swinging oldies“ und Leisa Bill & Rainer Sohst.

11. Dezember, 18 Uhr, 12. Dezember 17 Uhr, 15. Januar, 18 Uhr

Sex und 60 unterm Christbaum

16 Euro

von Angelika Beier , Kabarettistin aus München

Ort: Theater am Hexenturm, Ernstplatz 12, Coburg

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