Ein Thema, zwei verschiedene Sichtweisen: Während Johannes Hepp nicht müde wird, auf die Gefahren der voranschreitenden Digitalisierung hinzuweisen, lässt Jochen Flohrschütz nicht locker, um für die Chancen zu werben. Wenn sich die beiden am Montag, 8. Mai, zu einer Diskussion in der Alten Kühlhalle treffen, prallen also gewisserweise zwei Welten aufeinander. Wer Lust hat, kann bei dieser spannenden Diskussion dabei sein. Denn es handelt sich um einen der vielen Programmpunkte der diesjährigen Veranstaltungsreihe „Coburg liest“.
„Coburg liest“ und das Thema Digitalisierung – passt das zusammen? „Ja“, sagt Iris Kroon-Lottes vom Organisationsteam. Davon abgesehen, dass die Digitalisierung nun einmal auch vor dem Lesen nicht Halt macht (Stichwort E-Book oder auch E-Paper der Zeitung): „Wir wollen mit dieser Veranstaltung auch ganz bewusst junge Menschen ansprechen“, erklärt Iris Kroon-Lottes.
Was ist noch „normal“?
Junge Menschen, die mit ganz anderen Rahmenbedingungen aufwachsen als beispielsweise die heutige Ü50-Generation, und für die der ständige Blick aufs Handy ganz normal ist. Beziehungsweise: Diese ständige Inanspruchnahme digitaler Möglichkeiten erscheint zumindest ganz normal. Denn wer die Warnungen von Johannes Hepp hört oder liest, dem muss Angst und bange werden. Nein, „normal“ ist das alles seiner Meinung nach nicht mehr.
In seinem Buch „Die Psyche des Homo Digitalis“ erzählt Johannes Hepp, der im Hauptberuf Psychologe ist, von vielen Patienten, die er schon betreut hat – und die enorme „Folgeschäden“ von der Digitalisierung davon getragen haben. So reizvoll es beispielsweise sein möge, mit der ganzen Welt vernetzt zu sein: Wer am Ende doch nur vor dem heimischen Computer sitzt, würde vereinsamen. Ein dringender Rat von Johannes Hepp lautet deshalb: „Die Menschen sollten weniger auf Displays, sondern sich wieder mehr in die Augen schauen.“
„Ich halte natürlich dagegen!“
Iris Kroon-Lottes räumt ein, dass Johannes Hepp zum Teil sehr extreme Positionen einnehme. Um so mehr habe sich das „Coburg liest“-Team gefreut, Jochen Flohrschütz für eine Diskussion gewinnen zu können. „Denn ich halte natürlich dagegen“, sagt der Geschäftsführer von „Zukunft Coburg Digital“, dem Digitalen Gründerzentrum für den Wirtschaftsraum Coburg. „Ich sehe die vielen Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet“, sagt er und nennt auch gleich ein paar Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: Während der Corona-Pandemie sei der digitale Fortschritt sehr hilfreich gewesen. Menschen konnten im Home-Office arbeiten, für Kinder gab es Home-Schooling. Manches habe auch nach der Pandemie noch Bestand: „Jemand arbeitet bei einer Firma in München. Weil dies überwiegend im Home-Office möglich ist, kann er mit seiner Familie aber im eher ländlichen Raum, in dem die Lebenshaltungskosten viel niedriger sind, wohnen bleiben.“ Auch im Privaten könne die Digitalisierung helfen, „Entfernungen zu verkürzen“.
„Chancen nutzen!“
Jochen Flohrschütz erzählt von einem Mädchen, das jede Woche per Skype mit seiner in den USA lebenden Oma spricht. „Ohne Skype würden sie sich nur alle paar Jahre sehen.“ Für Flohrschütz steht fest: „Wir müssen die Chancen sehen, die uns die Digitalisierung bietet.“ Zumal: „Das Rad können wir sowieso nicht mehr zurückdrehen.“
Ein möglicher gemeinsamen Nenner, auf den sich Jochen Flohrschütz und Johannes Hepp einigen könnten, ist der richtige Umgang. „Ja“, sagt Jochen Flohrschütz, „wir müssen lernen, mit den vielen Möglichkeiten der Digitalisierung souverän umzugehen.“
„Stop“ sagen können
Da stimmt ihm auch Iris Kroon-Lottes zu: „Man muss lernen, auch mal Stopp sagen zu können.“ Hepp beklagt, dass Menschen in Deutschland mittlerweile durchschnittlich über 10 Stunden am Tag vor einem großen oder kleinen Display verbringen. Er habe beobachtet, dass viele Menschen immer schwerer „echte Entspannung“ finden – weil sie im Zweifelsfall dann eben doch wieder aufs Handy schauen würden (etwa für ein Computerspiel) anstatt jemand anderem in die Augen.
Tipp: Coburg diskutiert
Termin Am Montag, 8. Mai, 19.30 Uhr, liest Johannes Hepp in der Alten Kühlhalle in Coburg zunächst aus seinem Buch „Die Psyche des Homo Digitalis“. Anschließend diskutiert er mit Jochen Flohrschütz. Karten für 15 Euro im Vorverkauf bei Riemann am Markt (Abendkasse 18 Euro, Schüler und Studenten 10 Euro).
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